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Digital In Arbeit

Das Paradies des kleinen Moritz

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In der kleinen Welt des Fernsehspots wird Video in den nächsten Jahren zum Trumpf. In der Hand eines kreativen Meisters kann diese zum kunstvollen Paradies werden.

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In der kleinen Welt des Fernsehspots wird Video in den nächsten Jahren zum Trumpf. In der Hand eines kreativen Meisters kann diese zum kunstvollen Paradies werden.

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In der Werbung sind die Dinge manchmal” wirklich so, wie sie sich dervkleine Moritz vorstellt. Manchmal sind sie aber noch viel einfacher. Noch viel simpler. Und gar nicht wissenschaftlich, sondern einfach „hausverständlich”.

Da sitzt man vor einem Blatt Papier und macht sich Gedanken über „Dramaturgie in der Fernsehwerbung”. Und je mehr man darüber nachdenkt und je länger man in seiner Erinnerung und seiner Erfahrung kramt, um so klarer wird einem, daß die Fernsehwerbung — wie ja die Werbung überhaupt - einigen wenigen, ganz einfachen Gesetzen folgt, die sich aufgrund des angewandten Hausverstandes ergeben und die sich für alle Situationen und alle Produkte anwenden lassen.

Erinnern wir uns zurück: Wie begann denn die Fernsehwerbung? Wie begann sie in Österreich?

Wir schreiben das Jahr 1959. Das Fernsehen — das Fernsehversuchs-programm des österreichischen Rundfunks, wie es damals hieß — lief bereits einige Jahre, und nun entschloß man sich, auch Fernsehwerbung in diesem Medium zuzulassen. Die Reichweiten waren minimal. Somit begann Fernsehwerbung zunächst als kostenlose Einschaltungsmöglichkeit — sozusagen als Versuchsprogramm. Man hatte mit der Kinowerbung bereits gewisse Erfahrungen und übertrug nun diese Erfahrungen einfach auf das neue Medium, ohne zu bedenken, daß das Fernsehen doch ganz anderen Gesetzen folgt.

Es gab also Fernsehspots, die einfach verkürzte Fassungen der Werbefilme des Kinos waren. Und da tauchte das erste Problem auf. Wie sollte man in 15, in 20, in maximal 30 Sekunden eine Geschichte erzählen, eine Botschaft übermitteln, für die man gewohnt war, im Kino 3,4, ja 5 Minuten zur Verfügung zu haben? Wie konnte man die „Geschichte der Erschaffung der Welt” in 20 Sekunden nacherzählen? Und zwar so, daß der Fernseher sie auch verstand und sie als sehenswert, als interessant empfand.

Dazu hatte das Fernsehen damals noch einen ganz großen Nachteil — es war nur schwarz/ weiß.

Man konnte sich also nicht auf gewisse emotionale Wirkungen der Farbe, die man vom Kino her gewohnt war, verlassen. Man mußte das Medium neu erobern.

So erfand man die einfache Regel: Problemstellung - Lösung!

Dabei ist es bis heute eigentlich geblieben. Man ist erfahrener geworden, raffinierter, es haben sich Stars entwickelt, die das Medium besonders gut verstehen — aber im Prinzip blieb es dabei: Problemstellung - Lösung. Natürlich kam im Laufe der Jahre Erfahrung dazu, und man entwik-kelte gewisse Regeln, an die man sich zu halten hat, wenn man den vor dem Fernsehapparat sitzenden Menschen interessieren und zu einem Mitdenken veranlassen möchte:

• Eine Problemstellung - eine Lösung. Man kann in der Kürze eines Fernsehspots, in 20 oder 30 Sekunden also, nicht eine Fülle von Problemen anreißen und für jedes Problem eine geeignete Lösung anbieten. Man hat sich selektiv zu verhalten. Man sucht ein Problem und bietet eine Lösung. Alles andere ist geschwätziges

Geplapper, vergleichbar einem Mann, der mindern Bauchladen von Tür zu Tür geht und für jedes Problem eine Lösung, eine Ware bereithält und anbietet. • Zeigen wir, was das Produkt für den Menschen tun kann. Zeigen wir nicht, was das Produkt abstrakt kann. Menschen sind nicht an Produkten interessiert. Menschen sind an ihren Problemen, an der Lösung ihrer Probleme interessiert. Daß dabei ein Produkt zu Hilfe kommt, ist willkommen, erweckt Aufmerksamkeit.

# Das Fernsehen ist ein Medium, das unsere Augen und unsere Ohren anspricht. Wir sollen also beide Sinne beschäftigen. Wir sollen sprechen und wir sollen bildlich zeigen. Sprechen Sie aber nur jeweils über das, was Sie auch gerade zeigen. Sie überfordern sonst den Zuseher. Aber bedenken wir: das Fernsehen ist primär ein optisches Medium. Die Sprache kann hilfreich zur Seite stehen, spielt aber ganz sicher eine untergeordnete Rolle. Einen guten Fernsehspot erkennen Sie daran, daß Sie ihn verstehen, auch wenn die Sprache nicht die Ihre ist oder der Ton einmal ausfällt.

Um diese drei wichtigen Regeln läßt sich gute Fernsehwerbung aufbauen. Der Rest ist Technik. Wichtige Technik. Und viel Erfahrung und die Nutzung internationaler, weltweiter Trends im Bereich der Mode, des Show-Geschäfts und der Musik. Werbung benützt Modetrends. Werbung schafft sie nicht. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, die Werbung würde als Trendsetter für Mode und für andere neue Strukturen auftreten. Das Gegenteil ist der Fall: Mode entsteht in den Köpfen kreativer Menschen. Soziale

Strukturen kommen und gehen. Die Werbung beobachtet genau und benützt diese Veränderungen und macht sie mit ihrer enormen Wirkung und großen Reichweite einem breiten Publikum bekannt. Nur — kreieren, schaffen, muß die Mode wer anderer. Kommunizieren, verbreiten kann sie die Werbung.

In jüngerer Vergangenheit kam ein Medium in die Fernsehwerbung, das ungeheuer viel kann und das zweifellos der Fernsehwerbung für die nächsten Jahre seinen Stempel aufdrücken wird. Ich meine den Einsatz von Video. Was für herrliche, optische Effekte lassen sich durch die diversen Videomöglichkeiten doch erreichen. Jede beliebige Farbschattierung ist einsetzbar, herrliche Lichteffekte, Uberblendungen etc.

Das alles zu finanziellen Bedingungen, von denen man vor Jahren, als noch der gute alte Film eingesetzt wurde, nicht einmal zu träumen wagte. Eine Video-Produktion kostet—obwohl ungeheuer teure Geräte eingesetzt werden — oft nur einen Bruchteil einer Filmproduktion. Wobei man den Vorteil hat, unmittelbar nach der Aufnahme sofort kontrollieren, sofort korrigieren zu können, da man nicht auf die Entwicklung des Filmes warten muß.

Nun werden Sie vielleicht sagen: „Ja, wenn das so einfach ist...” Da liegt natürlich die große Gefahr! Gerade weil Fernsehwerbung eigentlich nur einem großen Gesetz folgt: „Problemstellung -Lösung”, sollte man Fernsehwerbung dem wirklichen Fachmann, dem wirklich kreativen Menschen überlassen. In der Hand von Dilettanten wird Fernsehwerbung banal und uninteressant. In der Hand des kreativen Meisters kann die kleine Welt eines Fernsehspots von 20 Sekunden zum Paradies werden, mit allem Zauber, aller Lust und aller Schönheit des Paradieses.

Nur, das weiß eben der kleine Moritz nicht. Deshalb ist gute Fernsehwerbung eben doch nicht so, wie sie sich der kleine Moritz vorstellt.

Der Autor ist Geschäftsführender Gesellschafter der Dorland-Werbeagentur und Lehrbeauftragter am Institut für kulturelles Management.

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