6990163-1986_42_08.jpg
Digital In Arbeit

Der lästige Maulkori

19451960198020002020

Die Konferenz von Helsinki 1975 sollte einen freieren Informationsfluß zwischen Ost und West ermöglichen. Von den großen Zielen wurde allerdings bis heute weniges verwirklicht.

19451960198020002020

Die Konferenz von Helsinki 1975 sollte einen freieren Informationsfluß zwischen Ost und West ermöglichen. Von den großen Zielen wurde allerdings bis heute weniges verwirklicht.

Werbung
Werbung
Werbung

Von kaum mehr als zwei Dutzend Staaten — von weltweit etwa 150 — können die Korrespondenten des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) frei und ungehindert berichten, das ist die Quintessenz einer Studie der ZDF-Chefredak-tion, die dieser Tage in Bonn der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Die Tendenz zur Reglementierung der Berichterstattung hat sich in der letzten Zeit überall verfestigt, wobei als Ursachen si-“ cherlich die Diskussion um eine Neue Weltinformationsordnung (NWIO), aber auch das gestiegene Selbstbewußtsein der jungen Staaten der Dritten Welt anzunehmen sind, denen es um eine wohlwollende Berichterstattung ihrer Länder und deren Regime geht.

Waren es vor rund 20 Jahren lediglich die Sowjetunion und die ihr nahestehenden Staaten, die auf diese Weise Zensur ausübten, so hat sich seitdem diese Tendenz weltweit verbreitet. Dabei haben es Fernseh-Teams am schwersten.

Während das Blatt Papier und der Kugelschreiber der Journalisten nahezu unbemerkt bleibt und auch die Tonbandgeräte der Hörfunk-Reporter immer unauffälliger werden, müssen Fernseh-Ka-merateams mit einem immer größeren Personal- und vor allem Sachaufwand (250 Kilogramm-Gepäck) reisen, der sich nicht so leicht verstecken läßt.

Dabei wird die besonders groteske Situation deutlich, daß zwar die technische Seite zur Übertragung von Fernsehbildern immer perfekter und das Netz der Satelliten immer dichter wird, jedoch die Möglichkeiten, über das Weltgeschehen zu informieren, dabei immer stärker beschnitten werden.

Das beginnt bereits bei der Botschaft des Gastlandes in Bonn, wenn es um die Visa-Erteilung geht. Als ein ZDF-Reporter letzten Winter bei der Bonner Botschaft des Irans die Einreise beantragte, wurde er einer Art Gesinnungsverhör unterzogen. Von sieben angemeldeten Themen wurden fünf gestrichen, und nach dem Ende der Dreharbeiten im Iran mußten die Kassetten der Zensur vorgeführt werden.

Subtilere Methoden handhabt die Sowjetunion. Zwar werden nach einer strengen Vorauswahl erheblich mehr Themen als früher genehmigt, jedoch wird der Inhalt der ausgestrahlten Sendungen in der Bundesrepublik kontrolliert. Fühlen sich die zuständigen Stellen zu kritisch behandelt, so kann es für den Korrespondenten beim nächsten Mal durchaus Probleme geben.

Bei der Visa-Erteilung werden neben der Themen-Auswahl auch die Reiseroute und die zu treffenden Personen genau festgelegt. Am Ort wartet dann ein ständiger Begleiter, der — wie vor einiger Zeit in Ägypten geschehen—größten Wert auf die Darstellung des Landes „wie aus dem Bilderbuch“ legt.

Einige Länder, wie Angola, Nordkorea, Burma, Saudi-Arabien, Syrien, Guinea, Kongo, Südjemen und Laos, lassen nur in Ausnahmefällen westliche Reporter einreisen. Vietnam und Albanien haben mit einer zögernden Öffnung begonnen, und selbst ein so wichtiges und halbwegs demokratisches Land wie Indien entzog sich bis in die jüngste Zeit der kontinuierlichen Berichterstattung, wobei sich die Bonner Botschaft besonders durch krasse Beeinflussungsversuche hervortat.

In Polen gehören etwa Schikanen der Behörden (Reiseverbote, Beschlagnahme von Material) zum Arbeitsalltag eines Reporters. In Rumänien werden Drehgenehmigungen selten erteilt und oft plump gesteuert. In der Türkei sind die Militärs in bezug auf Drehgenehmigung unberechenbar. Bloße Zufälle oder militärische und polizeiliche Willkür bestimmen in Lateinamerika (besonders El Salvador, Nikaragua, Kuba) oft das Ergebnis journalistischen Mühens.

Kein anderes Land aber gibt zur Zeit so viele Probleme auf wie Südafrika. Die Arbeitserlaubnis wird äußerst restriktiv gehandhabt, und Visa werden, wenn überhaupt, nur für drei bis sechs Monate erteilt, wobei der Reporter täglich mit seiner Ausweisung rechnen muß. Dabei beklagte der ZDF-Chefredakteur, daß es in der Bundesrepublik mehr eilfertige Informanten gibt, die Pretoria über die „Güte“ von Fernsehberichten unterrichten, als Reporter, die diese in Südafrika herstellen dürfen.

Auch andere interessante Details wurden bekannt, daß beispielsweise in der Sowjetunion angelsächsische Korrespondenten (Großbritannien, USA) unter schärferer Beobachtung stehen als deutsche, während es in Südafrika gerade umgekehrt ist. Beklagt wurden seitens des ZDF auch die formal-administrativen Beeinträchtigungen von Fernsehteams in Italien und Großbritannien. Sie haben zwar überhaupt nichts mit inhaltlicher Zensur oder dergleichen zu tun, behindern aber doch eine freie Berichterstattung.

Bei all diesen Schikanen ist es bewundernswert, unter welchem persönlichen und oft auch gefähr-lichen Einsatz — in Chile gab es in den letzten Jahren zwei verletzte Kameraleute — Reporter und Techniker des freien Westens unterwegs sind, um für ihr Land das Grundrecht auf freie Meinung und freien Informationszugang gewährleisten zu können.

Am Rande: Bei der in dieser ZDF-Studie angeführten Liste der Auslandsstudios wurde Österreich vergessen...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung