6797134-1971_15_23.jpg
Digital In Arbeit

Die Turiner Lastwagenschau

Werbung
Werbung
Werbung

Im Zweijahrerhytfamus wird seit 1969 in Turin die Internationale Ausstellung für Nutzfahrzeuge veranstaltet. Das Interesse der Firmen aus sieben Ländern war heuer so groß, daß die Fläche um 8000 Quadratmeter auf 38.000 Quadratmeter vergrößert werden mußte. 255 Aussteller, davon etwa die Hälfte aus der Zubehörbranche, füllten vom 27. März bis zum 4. April die fünf Pavillons und das weitläufige Freigelände der berühmten, mitten in der Stadt gelegenen Parkanlage. Die Generalvertretung der Fiatwerke in Österreich, die Steyr-Daimler-Puch AG, hatte eine Gruppe von Motorjournalisten nach Turin eingeladen, um ihnen neben zwei von Fiat entwickelten technischen Neuerungen den Salon zu zeigen und dabei auch Gelegenheit zum ersten Kontakt mit dem neuen Typ Fiat 127 zu geben. Obwohl neben dem Gastland auch Frankreich, England, Deutschland und die USA vertreten waren, somit der internationale Charakter nach außenhin gegeben schien, war es in Tat und Wahrheit ein ganz auf Italien abgestimmter Salon, denn die Ausländer zeigten weder ihre letzten Neuheiten (zum Beispiel die ,,Bau-Bullen“ von Klöckner-Humboldt- Deutz) noch etwa war die deutsche Industrie komplett vertreten, es fehlte MAN, die doch viel Interessantes zu zeigen gehabt hätten. Die Daimler-Benz AG hatte ihr Programm geteilt: In der Haupthalle standen jene Fahrzeuge, die wenigstens einigermaßen Aussicht haben, auf dem von Fiat beherrschten italienischen Markt mitzureden — etwa die Kastenwagen L 406 Furgone — im Freigelände aber figurierten die übrigens zahlreichen Mercedes, die zwar in alle Welt, nicht aber nach Italien exportiert werden.

Naturgemäß dominierte Fiat im Gesamtbild: Dieser Riesenkonzern deckt mit OM und den französischen UNIC-Werken 98 Prozent des italienischen Bedarfes und exportiert etwa ein Drittel der 1970 gebauten 74.000 Lastwagen und 62.000 Lieferwagen. Das Geheimnis dieses Erfolges liegt einerseits im Festhalten an wenigen Grundmodellen und in sehr intensiven Laborversuchen, Testfahrten auf eigenen Prüfstätten und auf vielen Straßen der Welt. Seit 1969 wurden die Modelle erneuert, auch die mittleren und schweren Typen erhalten neben der normalen Kabine auch kurze Fahrerhäuser, wodurch die Ladefläche vergrößert wird und die Fahrzeuge sich auch für den Kurzstreckenbetrieb auf Baustellen eignen. Für schwere Lastwagen sind gegen Aufzahlung Klimaanlagen vorgesehen. Bei allen Fahrerhäusern wurden auf verbesserte Arbeitsbedingungen für die Fahrer Wert gelegt (elastische Aufhängungen am Fahrgestell, gute Schalldämpfung, gebogene und einteilige Windschutz-Panoramascheiben, körpergerechte Sitze); in der Motorfertigung hat man sich bei den leichten und mittelschweren Modellen auf eine Art Einheitszylinder von 100 X 110 Millimeter eingestellt, um die Erzeugung zu rationalisieren. Nach Möglichkeit werden für alle Motoren die gleichen Teile verwendet.

Fiat-Chefkonstrukteur Ing. Filtri gewährte uns ein Interview: Er vertritt die Ansicht, daß die Lastwagenmotoren in Zukunft sechs oder acht Zylinder — also nicht zehn oder zwölf, wie man sie zur Zeit gelegentlich vorftndet — aufweisen werden, daß die Saug- neben den aufgeladenen Motoren bestehen werden und daß sich die Zylindergröße auf etwa zwei Liter einpendeln dürfte, jene Größe, die nach Filtri in der Erzeugung und in der thermischen Beherrschung am günstigsten liegt. 8 PS/Tonne (in Deutschland gilt diese Formel bereits) sind in Zukunft zu erwarten, Motoren von 300 bis 400 PS werden das Feld beherrschen. Die seit längerer Zeit offensichtliche Teilung im Lastwagenbau, einerseits Femverkehrsfahrzeuge, anderseits solche für Baustellen und Gelände, wird sich noch ausgeprägter auswirken. Die Fahrgestelle für erstere werden sehr leicht und spezialisiert gebaut werden, letztere hingegen möglichst robust. Bei ersteren wird besonders auf Sicherheitsmaßnahmen und Bequemlichkeit für den Fahrer Bedacht genommen werden, bei letzteren vor allem auf Lebensdauer und Überlastbarkeit. Logischerweise wird die Federung bei Fernlastern eher weich, bei Geländefahrzeugen hart ausgelegt werden. Bei den Bremsanlagen zeichnen sich ebenfalls zwei deutliche Tendenzen ab: Hydraulische Systeme für Solofahrzeuge, Druckluft, allerdings mit höheren Drücken als bisher, vielleicht bis zu 20 Atü, für Lastzüge. Auch die Fahrerhäuser werden verschieden gebaut, je nachdem, ob es sich um fixe Kabinen beim Geländefahrzeug oder um Kippfahrerhäuser für den Fernlaster handeln wird.

Stark beeindruckt war man von den Vorführungen der Fiatwerke auf einem Areal in der Nähe Turins: Auf künstlich berieseltem Boden wurden die Auswirkungen eines Antiblockiergerätes gezeigt, welches das Schleudern auf glatter Straße verhindert. Ähnlich wie kürzlich bei Daimler-Benz (ABS = Antiblockiersystem) wurden Fahrzeuge mit und ohne diese zukunftsweisende Vorrichtung aus voller Fahrt abgebremst. Während sich letztere nach jedem Bremsmanöver unkontrolliert zu drehen begannen, blieben die ersteren spurtreu, die Bremswege waren außerdem kürzer. Vorrichtungen dieser Art scheinen jetzt „in der Luft“ zu liegen, aus den USA, aus England und Deutschland kommt die erfreuliche Nachricht, daß man nunmehr endlich des gefährlichen Schleuderns beim Brem-

sen auf glatter Straße Herr zu werden beginnt. Wann diese Systeme zu einem vernünftigen Preis serienreif sein werden, wagt allerdings vorläufig niemand zu sagen.

Eine zweite nicht minder bedeutungsvolle Neuheit auf technischem Gebiet wurde mit dem elektronischen Einspritzregler für Dieselmotoren vorgestellt: In Höhen zwischen 1000 und 2000 Metern (Fernlaster müssen ja oft die Alpen überqueren) unterliegen die Motoren infolge der Luftverdünnung einer großen thermischen Belastung. Fiat hat nunmehr eine Regulierung entwickelt, welche die eingespritzte Treibstoffmenge der Luftverdünnung anpaßt, die Wärmeüberlastung der Motoren vermeidet und außerdem die Rauchentwicklung vermindert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung