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Das Ende der Bleizeit

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Italiens größter Autoproduzent bläst zum Angriff. Mit dem Lancia Thema will man auch in die Luxusklasse vorstoßen. Die Premiere fand in Wien statt.

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Italiens größter Autoproduzent bläst zum Angriff. Mit dem Lancia Thema will man auch in die Luxusklasse vorstoßen. Die Premiere fand in Wien statt.

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Österreich gehört schon seit jeher zu den Ländern mit den strengsten Abgas-Vorschriften Europas. Und wieder ist ein Vorpreschen Österreichs zu erwarten. Mit den kommenden Abgasbestimmungen wird man Hand in Hand mit der Bundesrepublik Deutschland und mit der Schweiz dem Rest von Europa zeigen, was Umweltbewußtsein bedeutet. Die Verschärfung unserer Bestimmungen bedeutet für Österreichs Kraftfahrer die Einführung des Abgas-Katalysators in unseren Auspuffanlagen. Denn anders werden vorläufig die verlangten Werte nicht erreichbar sein. Kritik ernten wir dafür von der Automobilindustrie, die mit der Katalysator-Lösung nicht unbedingt glücklich ist. Audi-Chef Piech spricht von einer überstürzten und unüberlegten Vorgangsweise, die der Entwicklung zu wenig Zeit läßt. Denn: „Schon in drei bis vier Jahren können wir technisch bessere Lösungen vorlegen und den Katalysator vergessen", meint Piech.

Der Katalysator, ein wabenförmi-ger Keramikkörper, der mit Edelmetall (Platin, Palladium und Rhodium) beschichtet ist und die Schadstoffe im Abgas, also Koh-lenmonoxid, unverbrauchte Kohlenwasserstoffe und Stickoxide in ungiftige Verbindungen, also Kohlendioxid, Wasser und Stickstoff umwandelt, hat nicht nur Vorteile. Das lange für harmlos gehaltene Kohlendioxid, das bei der Oxidation und Reduktion durch den Katalysator entsteht, wird von einer Studie der EPA (Enviromental Protection Agen-cy) als die für klimatische Veränderungen verantwortliche Substanz verteufelt. Die EPA warnt eindringlich vor einer weiteren Zunahme von Kohlendioxid in unserer Umwelt.

Damit aber nicht genug. Die Katalysator-Technik ist noch nicht ausgereift, und ein defekter Platin-Filter würde mehr Schaden als Nutzen bringen. In Betracht gezogen werden auch die erheblichen Mehrkosten werden müssen, und vor allem der erhebliche Mehrverbrauch an Treibstoff, der die Bemühungen der Automobilindustrie um verbrauchsgünstigere Autos als Beitrag zur Rohstoffersparnis zunichte macht.

Da der Katalysator Bleitetraethyl im Benzin nicht verträgt, bringt uns diese Technik unverbleiten Kraftstoff. Zunächst aber nur unverbleites Normalbenzin mit 91 Oktan. Und auch die drei reduzierbaren Stoffe Kohlenwasserstoff, Kohlenmonoxid und Stickoxide scheinen reduzierenswert. Wer schon jetzt ein Katalysator-Auto fahren will, viele Hersteller bieten die Fahrzeuge mit Abgas-Filter schon an, wird allerdings Schwierigkeiten bekommen. In Österreich gibt es ab April Bleifrei, im Ausland kann sich die Spritversorgung noch eine Weile hinziehen.

Vier Wochen lang stand in Wien ein Auto im Rampenlicht. Der Lancia Thema wurde in Österreich erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt. Somit gibt es bei der italienischen Nobelmarke wieder eine Luxuslimousine, die dem Hause Lancia Ehre machen soll. Für Lancia und den Konzern eine wichtige Sache. Denn die Automobilproduktion sichert der Fiat-Auto S. P. A. immerhin die Hälfte des Gesamtumsatzes dieses Konzerns. Präsident Giovanni Agnelli drückt das in Zahlen mit 12.500 Milliarden Lire aus. Agnelli sieht die Automobilproduktion als die Stütze für schlechter funktionierende Fiat-Unternehmungen. Beachtlich, denn der Advo-cato erinnert sich noch recht gut an schlechtere Zeiten. Und die sind noch gar nicht lange her. Damals mußte der restliche Konzern der Automobilindustrie unter die Arme greifen.

Die Zukunft scheint gesichert. In Europa nimmt man die erste Stelle im Kampf um den Marktanteil ein. Märkte wie Fernost, die Sowjetunion, Amerika und zum größten Teil Afrika bleiben laut Aussage von Generaldirektor Vit-torio Ghidella dem Fiat-Auto verschlossen. Der europäische Raum ist die Stärke dieses Konzerns.

Umso wichtiger ist es, selbst etablierten Herstellern großer Limousinen ein geeignetes Modell entgegenzusetzen. Der Lancia Thema soll unter den europäischen Produkten eine Elitestellung einnehmen. Das Karosserie-Design stammt von Giorgio Giu-giaro, dem zur Zeit wohl bekanntesten Designer. In der Konzeption folgt der Thema der langjährigen Firmentradition. Großzügige Raumausnützung in Verbindung mit erstklassigen Fahreigenschaften waren im Forderungskatalog ganz oben zu finden. Quer eingebauter Motor, Frontantrieb, unabhängige Radaufhängung, vier Scheibenbremsen - mit all diesen Charakteristikas folgt der Thema den übrigen Lancia-Modellen. Zur Wahl stehen vier Motoren: Das Spitzentriebwerk ist ein turbogeladener Vierzylin-der-2-Liter-Motor mit elektronischer Benzineinspritzung, das bringt eine Leistung von 165 PS und beachtenswerte Fahrleistungen. Bemerkenswert ist der „Overboost" des Turboladers. Für eine halbe Minute kann das maximale Drehmoment bei Durchtreten des Gaspedals von 255 Nm auf 284 Nm gesteigert werden. Die Höchstgeschwindigkeit des Thema 2000i.e. Turbo liegt bei 218 km/h, der Beschleunigungswert von 7,2 sec. bis 100 km/h ist bemerkenswert. Kultivierter allerdings geht es beim V-6-Zylinder-Triebwerk zu. Der 150 PS starke 2,8 Liter-Wagen ist aber bei höherer Laufruhe doch noch 208 km/h schnell. Zur Wahl steht auch ein 2-Liter-Trieb-werk mit elektronischer Benzineinspritzung, das 120 PS leistet. Eine Superlative stellt der Turbo-Diesel mit dem 2.500 ccm Triebwerk dar. Der 100 PS starke Selbstzünder mit Ladeluftkühlung gehört zu den schnellsten Diesellimousinen der Welt, Spitze 185 km/h!

Bestechend auch die Ausstattungsdetails. Antiblockiersystem, elektrisch verstellbare Sitze, Klimaanlage, Kopfhörer für die Fondpassagiere und ein enormes Platzangebot machen den Thema, der nicht vor März erhältlich sein wird, zu einer scharfen Konkurrenz für deutsche Produkte. Urteil eines ausländischen Journalisten nach der Probefahrt: „Der beste BMW aller Zeiten."

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