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DIE WELT HUNGERT" NACH GELD

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Die dynamische Entwicklung der Finanzmärkte in den siebziger und achtziger Jahren hat aufkommende Probleme lange Zeit verdeckt. In den letzten Jahren jedoch sind Schwierigkeiten in einem Ausmaß auf das internationale Bankwesen zugekommen, die eine weltweite Strukturkrise bewirkten. Die Perspektiven der neunziger Jahre werden von der Bewältigung dieser Krise abhängen.

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Die dynamische Entwicklung der Finanzmärkte in den siebziger und achtziger Jahren hat aufkommende Probleme lange Zeit verdeckt. In den letzten Jahren jedoch sind Schwierigkeiten in einem Ausmaß auf das internationale Bankwesen zugekommen, die eine weltweite Strukturkrise bewirkten. Die Perspektiven der neunziger Jahre werden von der Bewältigung dieser Krise abhängen.

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Die Strukturpolitik hat in den meisten Ländern lange Zeit verabsäumt, die veränderten Gegebenheiten zu erkennen und die Banken rechtzeitig dem notwendigen Anpassungsdruck auszusetzen. Die Deregulierungsoffensive (Liberalisierung des Kapitalverkehrs, Fusionen, Ausdehnung der Geschäftsbereiche) genügte nicht: Sie war eher eine Reaktion auf die Erkenntnis einer zunehmenden Verflechtung der nationalen Märkte, wodurch die nationalen Regelungen leicht unterlaufen werden konnten.

Die Nachteile der Deregulierung zeigen sich heute in erhöhter Neigung zu Schwankungen von Zinssätzen und Wechselkursen und Instabilität der Finanzmärkte, die die Aufsicht erschweren und die Geldpolitik behindern.

Neben den bekannten Phänomenen wie Globalisierung und Deregulierung, Kostendruck, Finanzmarktinno-vatione und anderem spielen vor allem grundsätzliche Veränderungen im Verhältnis von Angebot und Nach-. frage im Finanzsektor eine wesentliche Rolle.

War die Zeit bis zu Beginn der siebziger Jahre durch eine Vielzahl guter Schuldner und Projekte, jedoch durch einen Mangel an zur Verfügung stehendem Sparkapital gekennzeichnet, so änderte sich das infolge der Ölkrisen: Nun stand anlagesuchendes Kapital in großem Umfang zur Verfügung, die Qualität der bedienten Schuldner nahm jedoch dementsprechend ab, und es kam zu einer Reduktion der Spannen.

Die hohen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und die Rück-schleusung der OPEC-Überschüsse führten direkt zur Schuldenkrise der achtziger Jahre, in deren Gefolge manche Banken infolge unvorsichtiger Kreditvergabe in ihrer Kreditwürdigkeit zurückgestuft werden mußten. Trotz boomender Geschäftsvolumina befand sich damit die Bankbranche daher am Ende des Jahrzehnts in einer nicht gerade hervorragenden Position.

In den neunziger Jahren wird das hohe Angebot an Kapital nicht mehr zur Verfügung stehen, die Nachfrage wird jedoch hoch bleiben oder noch steigen: Die Deckung des Defizits der Vereinigten Staaten, der unvermindert hohe Kapitalbedarf der Entwicklungsländer, der Wiederaufbau im Nahen Osten, die Kosten der deutschen Vereinigung und der Restruk-turierung in Osteuropa werden Mittel in großem Umfang aufsaugen. Das ermöglicht zwar wieder eine Konzentration auf die guten Projekte und Schuldner, doch wird abzuwarten sein, in welchem Umfang. Auf jeden Fall aber bleiben Altlasten zu bewältigen.

Die Banken werden kaum in der Lage sein, von sich aus hohe Dynamik zu entwickeln. In den Vereinigten Staaten müssen die Banken mit verschiedenen Belastungen der Vergangenheit fertig werden; hier wie auch in Japan und den EG-Ländern stehen Umgestaltungen des Finanzsektors an, welche Management und finanzielle Ressourcen in den nächsten Jahren verstärkt in den Heimmärkten binden werden. Allgemein sind zu Beginn der neunziger Jahre Überkapazitäten im Finanzsektor zutage getreten, deren Aufarbeitung einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Die Banken aller Länder haben sich darüber hinaus mit neuen und verschärften Eigenmittel Vorschriften zurechtzufinden.

Die Entwicklung immer neuer Finanzinstrumente und vor allem die Ausweitung des außerbilanziellen Geschäfts haben die Krisenanfälligkeit und Neigung zu Schwankungen von Zinssätzen und Wechselkursen des internationalen Finanzgeschehens erhöht und die Transparenz verschlechtert.

Für die Notenbanken wird es immer schwieriger, unter diesen Bedingungen ihren monetären und aufsichtsrechtlichen Aufgaben nachzukommen, weshalb zuletzt eher wieder Tendenzen zurReregulierung zu beobachten waren. Die oft diskutierte Entwicklung global operierender „Finanzsupermärkte" erscheint unter diesem Gesichtspunkt zunehmend problematisch.

Es scheinen vor allem fünf Problembereiche zu sein, die das Bankgeschäft im engeren Sinn in den nächsten Jahren prägen werden:

1. Die Entwicklung der Konkurrenzbedingungen im internationalen Bankwesen;

2. die frage von Standardisierung und/oder Produkt-Spezialisierung;

3. Änderungen im Bereich der Vertriebs- und Betriebssysteme;

4. Wachsende Bedeutung der Informationstechnologie und

5. Verknappung von Ressourcen Details dazu siehe Seite 14 und 15.

Der Autor ist Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung in der Nationalbank.

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