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Aus Reich wird Bund
Noch deutlicher ist dies in den etzten Wochen in der Debatte um lie Notstandsgesetzgebung geworden. In der von den Staatssekretären ausgearbeiteten Form würde sie eine Militarisierung des öffentlichen Leaens im Sinn einer Vorbereitung auf ien berühmten Ernstfall bedeuten, ier wesentliche Rechte des Grundgesetzes geopfert würden. Teilweise entsprechen die Bestimmungen fast wörtlich den Gesetzen der NS-Zeit, wobei an die Stelle von Reich das Wort Bund tritt, so daß aus den berüchtigten Reichskommissaren Bundeskommissare wurden. Es spricht für die gegenwärtige politische
Situation, daß erst ein auf die Gefahren dieser Verfassungsänderung hinweisender Alarmruf von 215 Professoren, zu denen auch der Verfasser gehörte, die Gewerkschaften auf den Plan rief, die ihrerseits die von Ministersesseln träumende SPD dazu brachte, ihre in Geheimverhandlungen mit der CDU gemachten Zusagen zurückzunehmen.
Ehe jedoch diese Vorgänge genauer geschildert werden, noch ein Wort zu den Staatssekretären: Ebensowenig, wie der wegen seines Kommentars au den Judengesetzen angegriffene Staatssekretär unter Adenauer, Globfce, sind Viaion und seine Kol-
legen „Nazis“ im eigentlichen Sinn. Sie sind Fachleute, die in den NS-Miruisterien aufgewachsen sind und die nur insofern heute einen unguten Einfluß ausüben, als ihr Verhältnis zur Demokratie weniger durch die Überzeugung von der Vortrefflichikeit ihrer Einrichtungen bestimmt ist als von jener Anti-kommainistensttmimung, die in Deutschland leicht mit demokratischen Gesinnungen verwechselt wird.
In Geheimverhandlungen hatte sich die SPD in einer Weise mit den Tendenzen der CDU in der Notstand s-gesetzgebung eingelassen, daß es verständlich ist, wenn die CDU/CSU ihr ihre jetzige, nunmehr von den Gewerkschaften bestimmte Haltung zum Vorwurf machen. Das noch vertretbare Maß an Opportunismus ist in diesen Verhandlungen von der SPD bei weitem überschritten worden. Trotzdem ist es unverständlich, warum die Regierung noch im letzten Augenblick der Legislaturperiode das Notstandsgesetz durchzwingen wollte. So eindrucksvoll die durchaus berechtigten Vorwürfe Bundeskanzler Erhards gegen die SPD in der Bundestagssitzung vom 16. Juni waren, so ist es doch zweifelhaft, ob sich daraus im Wahlkampf Kapital schlagen läßt. Bei einiger Geschicklichkeit müßte es nämlich der SPD im Wahlkampf gelingen, selbst dieses verspätete „Nein“ an Hand von Zitaten aus den Gesetzentwürfen noch zu einer Rettung der Demokratie umzudeuten, die in Deutschland weniger durch Tendenzen in den Parteien als durch das Regiment der Staatssekretäre bedroht ist.
Dies ist ein innenpolitisches Ergebnis der letzten Legislaturperiode, das seinerseits allerdings wieder auf da3 Konto der deutschen Parteien geht. Es hat sich gezeigt, daß die von der SPD betriebene Aufgabe der Rolle einer Opposition den obrigkeitsstaatlichen Tendenzen gefährlichen Auftrieb brachten.
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