Die Verfassung ist in keiner guten Verfassung

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Die rechtlichen Grundlagen in Österreich reichen nicht aus, um etwa den Klimaschutz ernsthaft und nachhaltig zu verankern, sagt Michael Kerbler. Warum jetzt gesetzlicher Handlungsbedarf besteht.

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Die rechtlichen Grundlagen in Österreich reichen nicht aus, um etwa den Klimaschutz ernsthaft und nachhaltig zu verankern, sagt Michael Kerbler. Warum jetzt gesetzlicher Handlungsbedarf besteht.

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„Es sind Tage, die manchen unübersichtlich erscheinen mögen. Aber es gibt keinen Grund, besorgt zu sein. Denn gerade in Zeiten wie diesen zeigt sich die Schönheit, ja die Eleganz der österreichischen Bundesverfassung.“ So sprach Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 21. Mai 2019. „Schönheit“ hat der Verfassung vor Alexander Van der Bellen niemand attestiert. „Als eine innere und äußere Ruine“ bezeichnete sie einst Hans Klecatsky, Verfassungsrechtler und parteifreier Justizminister. Und der Rechtsexperte Manfried Welan, einst Rektor der Universität für Bodenkultur in Wien, meinte gar, dass die Bundesverfassung „von Anfang an ein Provisorium und ein Torso“ gewesen sei und „durch den Mangel an Grundrechten eine bis heute unvollendete“.

Die Verfassung ist in keiner guten Verfassung. Sie ist durch mehr als einhundert Abänderungen unübersichtlich, ja zersplittert worden. Dass bis heute ein Grundrechtekapitel fehlt, ist „eine der größten offenen Wunden des Gesetzes“, so Manfred Matzka, ehemals Leiter der Präsidialsektion im Bundeskanzleramt.

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Nicht was geschrieben steht, drängt auf Erneuerung des Textes, sondern das, was in der Verfassung fehlt. Stichwort: Klimawandel. Die Klimaurteile des deutschen Bundesverfassungsgerichtshofs vom April, mit denen die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens für Deutschland letztlich als verfassungsrechtlich verbindlich erklärt wurde, haben sichtbar gemacht, wo auch in der österreichischen Verfassung nachgebessert werden muss. Es gilt, Rechtssicherheit zu schaffen. Jetzt. Etwa das Recht auf eine gesunde Umwelt. Was die Umweltpolitik angeht, bewegt sich die Politik zwar in demokratischen Entscheidungsspielräumen. Aber die erlauben es verfassungsrechtlich nicht, die physischen Grundlagen menschlicher Existenz aufs Spiel zu setzen und damit auch die Demokratie zu untergraben. Genau das droht aber, wenn die Klimapolitik weiter so unambitioniert bleibt. Wieder einmal war es der Bundespräsident, der den Finger auf diese offene Wunde legte, als er leise Zweifel äußerte, „ob unsere rechtlichen Grundlagen, also Verfassung und Gesetze, und unsere Organisationsstrukturen ausreichen“ zur Bewältigung der Klimakrise und ihrer Folgen. Ja, es besteht Handlungsbedarf.

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