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Digital In Arbeit

Ein Beitrag der Frau

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„Lieber in einem Zelt in Jaffa als in einem Schloß in Kairo!“, rief die temperamentvolle Palästinenserin bei der internationalen Frauentagung in Ben- dorf/Rhein den Israelinnen zu. „Israel - das existiert für uns nicht! Wir kennen nur Palästina!“ Die Atmosphäre war elektrisch geladen bei der Frauentagung vor zwei Jahren. Als man sich diesmal zum dritten Mal traf, war nichts mehr davon zu spüren. Die Teilnehmerinnen konnten gemeinsam das Tagungsthema „Die Lösung von Spannungen - ein Weg zum Frieden?“ angehen.

Die deutsche Sozialpolitikerin Mechtild Fischer erinnerte daran, daß Konflikte bereits im einzelnen Menschen zu finden seien. Die Spannung zwischen seinen Wünschen und Anforderungen, die von der Außenwelt an ihn gestellt werden, können nur mit größter Anstrengung bewältigt wer den. Ein Mensch, der sich um seine inneren Konflikte nicht kümmert, wird die Konfliktsituationen in seiner Umgebung schwerlich meistern können. Da durch Konflikte und ihre feindliche Austragung die ganze Menschheit in Gefahr gebracht wird, ist die Lö sung von Spannungen unsere vordringlichste Aufgabe.

Die Arbeit wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten angepeilt und in Gruppen durchgeführt Eine Gruppe behandelte unter der Leitung einer Londoner Analytikerin die Bewältigung von Vorurteilen. Gibt es überhaupt vorurteilsfreie Menschen? Nein, wenn wir wirklich aufrichtig sind, sehen wir, wie sehr wir von Vorurteilen, die wir schon in frühester Jugend in uns aufgenommen haben, geprägt sind. Es bedarf harter langwieriger Arbeit, um sie loszuwerden.

Einen praktischen Beitrag zur Lö sung von Spannungen brachten Rachel Rosenzweig und Nimr Ismir aus Israel. Die Jüdin und der Araber arbeiten in einer Organisation „Partnerschaft“, die auf gemeinsamem Interesse, gegenseitigem Vertrauen und Selbstachtung gegründet ist. Da Israel unmöglich auf die Dauer existieren kann, wenn der Staat von Arabern abgelehnt wird, muß man alles daransetzen, um eine Interessengemeinschaft mit ihnen zu bilden. „Partnerschaft“ zeigt das an einem kleinen Beispiel.

Der Ort Bir’am im Oberen Galil wurde 1948 von Israelis besetzt, die arabischen Einwohner wurden ausgesiedelt Man versprach ihnen, daß sie nach 14 Tagen zurückkehren dürften. Doch inzwischen waren in dem Bereich drei jüdische Siedlungen errichtet worden, deren Einwohner man nicht einfach vertreiben konnte, wollte man dem alten Unrecht nicht ein neues hinzufügen. So wurde ein Plan ausgearbeitet der positive Aspekte für beide Bevölkerungsgruppen hatte. Es sollte dort ein Erholungsund Studienzentrum gegründet werden. Das sollte ein Prüfstein für die

„Partnerschaft“ werden, an dem man beweisen kann, daß Juden und Araber, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu aufzeigt, in Frieden miteinander leben können.

Daß dies bereits möglich ist wurde von einer israelischen Araberin anschaulich geschildert Eine Palästinenserin, die das Land nach der Staatsgründung 1948 verlassen hatte und nun in England lebt nahm es mit Erstaunen zur Kenntnis. Gegen Ende der Tagung äußerte sie den Wunsch, nach dreißigjähriger Abwesenheit wieder in das Land ihrer Jugend zurückzukehren. Ein Detail am Rande - sie fand unter den israelischen Araberinnen eine nahe Verwandte wieder.

Diese Bendorfer Tagung ist ein Musterbeispiel dafür, wie Spannungen gelöst werden können, wenn das Vertrauen zueinander wächst. Man verrichtete täglich gemeinsam das Morgengebet man lernte einander kennen und verstehen und versuchte, im andern den Menschen zu sehen, mit dem man gemeinsam eine friedliche Welt aufbauen kann.

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