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Ein Verbrechen gegen Menschen

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1985 gedenkt die Republik des Kriegsendes. Die moralische Rechtfertigung der Verteidigung eines Landes mit Waffengewalt stellt den Christen vor schwere Entscheidungen.

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1985 gedenkt die Republik des Kriegsendes. Die moralische Rechtfertigung der Verteidigung eines Landes mit Waffengewalt stellt den Christen vor schwere Entscheidungen.

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40 Jahre nach Beendigung des unchristlichen und unmenschlichen 2. Weltkrieges ist es im Zeitalter der nuklearen Völkerausrottungswaffen von größter Wichtigkeit und Aktualität, sich ernsthaft mit der Frage der Gerechtigkeit des Krieges zu befassen.

Der Angriffskrieg wurde von Papst Pius XII. zu Weihnachten 1944 geächtet und ist nach geltendem Völkerrecht ein „Verbrechen” (Kelloggpakt 1928 und Londoner Staatenvertrag vom August 1945). Umstritten ist aber bis zum heutigen Tag, ob der Verteidigungskrieg, gerecht, christlich und sittlich sein kann.

Die Befürworter der Lehre vom bellum iustum, also der Lehre vom „gerechten Krieg”, berufen sich zumeist auf das Verteidigungsrecht und Notwehrrecht der Person und leiten daraus das Recht des Staates zur Vorbereitung und Führung des „gerechten Notwehrkrieges” ab.

Doch wie die rechtstheoretische Analyse des Abwehrkrieges zeigt und die Erfahrung des Kriegsverlaufes bestätigt, besteht der Notwehrkrieg niemals nur aus Verteidigungshandlungen und Notwehrhandlungen.

Der Defensivkrieg besteht bei genauerer Betrachtung aus erlaubten Notwehrhandlungen, aber auch aus ungerechten Notwehrexzeßhandlungen, aus Puta-tivnotwehrhandlungen, aus Op-pressionshandlungen (Unterdrückungshandlungen) gegen Kriegsgefangene und Kriegsdienstverweigerer und aus Aggressionshandlungen gegen Frauen, Kinder, Kriegsgegner und Soldaten.

Werden beispielsweise von Soldaten des Defensivkriegsstaates im Krieg Spreng- und Brandbomben auf bewohnte Städte und Dörfer geworfen, dann werden auch Zivilpersonen, also auch Frauen, Kinder und Kriegsgegner, getötet oder schwer verwundet. Weil von Frauen und Kindern kein Angriff ausging, ist ihre Tötung keine gerechtfertigte Notwehrhandlung, sondern eine militärische Aggressionshandlung.

Viele Notwehrexzeßhandlungen und militärische Aggressionshandlungen sind Inhumanitäten und Verbrechen. Der angeblich „gerechte Notwehrkrieg” ist in Wahrheit immer ein Notwehrüberschreitungskrieg, also ein ungerechter und inhumaner Notwehrexzeßkrieg.

Den Konzilsvätern ist daher zuzustimmen, wenn sie 1965 in der Pastoralkonstitution erklärten, es solle „mit allen Kräften” darauf hingearbeitet werden, Jeglichen Krieg”, also auch den Präventivkrieg, den Interventionskrieg und den Defensivkrieg, durch internationale Vereinbarungen zu verbieten.

Dagegen bekennt sich der Moraltheologe Karl Hörmann im „Lexikon der christlichen Moral” zur traditionellen Lehre vom „gerechten Krieg”. Hörmann betrachtet die Teilwirklichkeit, nicht aber die Gesamtwirklichkeit des Defensivkrieges und schreibt nicht über die vielen Notwehrexzeßhandlungen, über die militärischen Aggressionshandlungen, über die Ungerechtigkeiten, Inhumanitäten und Verbrechen, die auch im Abwehrkrieg vorkommen und kommt dadurch zu der falschen Schlußfolgerung, daß der Verteidigungskrieg ein „gerechter Krieg” sein kann.

Er wirft zwar die Frage auf, ob der einzelne Soldat im Krieg gerecht sein kann, fragt aber nicht, ob zu erwarten ist, daß alle Soldaten, die sich am Defensivkrieg beteiligen, im Krieg nur gerechte Handlungen setzen oder ob sie nicht auch gelegentlich Notwehrexzeßhandlungen, Ungerechtigkeiten, Unmenschlichkeiten und Verbrechen begehen, durch die der Notwehrkrieg zu einem ungerechten Notwehrexzeßkrieg wird.

Hörmann zitiert auch sehr richtig die Friedensenzyklika „Pacem in terris”, unterläßt es aber, darauf hinzuweisen, daß Papst Johannes XXIII. in der erwähnten Enzyklika mehrmals betonte, daß die Menschenrechte „unverletzlich” sind und daß er unter den „unverletzlichen Menschenrechten” auch das „Lebensrecht der Person” nannte.

Verabscheuungswürdig

Wer mit Papst Johannes XXIII. behauptet, daß das „Lebensrecht der Person” ein „unverletzliches Menschenrecht” ist, muß jeden militärischen Feindesvernichtungsbefehl ablehnen und damit jeden brudermörderischen Krieg verwerfen.

Hörmann zitiert im erwähnten Lexikon auch Papst Pauls VI. Rede am 4. Oktober 1965 vor den Delegierten der Vereinten Nationen, läßt aber den überaus wichtigen Satz in dieser Rede weg, der von der Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens spricht. Paul VI. erklärte damals wörtlich: „Das Leben des Menschen ist heilig, und niemand darf daran Hand anlegen”, also darf es auch der Soldat nicht.

Die logische Konsequenz aus dieser päpstlichen Feststellung lautet: Der brudermörderische und kindervernichtende Krieg soll weder vorbereitet noch geführt werden. Jeder Krieg sollte daher völkerrechtlich und verfassungsrechtlich verboten werden.

Im Abschnitt 51 der Pastoralkonstitution wird festgestellt, daß „die Tötung des Kindes” ein „ver-abscheuungswürdiges Verbrechen” ist. Daher ist auch die Tötung des Jugendlichen ein „ver-abscheuungswürdiges Verbrechen”. Daher ist der Defensivkrieg, in welchem stets auch Kinder und Jugendliche vernichtet werden, verwerflich.

Hörmann, der die Pastoralkonstitution sehr richtig zitiert, unterläßt es auch, den Abschnitt 51 zu zitieren, denn ein derartiges Zitat würde seine Lehre vom „gerechten Krieg” ebenso umwerfen wie die vorher erwähnten Äußerungen Johannes* XXIII. und Pauls VI.

Die katholischen Bischöfe mehrerer Staaten erklärten bei der Diskussion über die Fristenlösung wiederholt, daß das menschliche Leben von der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod des Menschen unantastbar ist. In jedem Krieg setzen sich die Kriegführenden bedenkenlos über die kirchliche Lehre von der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens hinweg und töten oder verstümmeln mit Bomben und Granaten, mit Maschinengewehren und Geschützen Frauen, Kinder, Kriegsgegner und zum Kriegsdienst gezwungene Soldaten.

Der Autor ist Obmann der Ude-Friedens-gemeinschaft.

Die Leichen von als „Kollaborateuren” beschuldigten Schwarzen

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