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Es geht um Jerusalem

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Es war eine Panne, die der israe- lischen Polizei passierte, die vor etwas mehr als einer Woche nicht genügend Kräfte auf dem Je- rusalemer Tempelberg konzentrier- te, um einer voraussichtlichen Pro- vokation begegnen zu können. Diese gab es auch in Form von Tausenden steinewerfenden Palästinensern. Die Steine wurden auf Juden un- terhalb des Tempelbergs geschmis- sen, die zu dieser Zeit an der Klage- mauer den Priestersegen empfin- gen.

Als die Steine werfenden Demon- stranten von Polizisten abgehalten wurden, verloren sie die Nerven und griffen die Sicherheitskräfte mit Eisenstöcken, Felsbrocken und Eisenketten an. Die Polizisten be- fanden sich tatsächlich in Gefahr. Daraufhin entglitten den diversen Polizeikommandanten offenbar die Zügel. Jeder Polizist handelte nach eigenem Gutdünken und einige eröffneten automatisches Feuer. Das Resultat ist bekannt: 21 Tote und 150 Verletzte.

Vielleicht war eseinenoch größe- re Panne, daß die Regierung die Existenz der Minigruppe der „Treu- en des Tempelberges" nicht verbo- ten hatte. Doch für die rechtsge- richtete Likudregierung ist dies nicht so leicht; denn diese Ultras, die den dritten Tempel erbauen wollen, sind unter anderem zumeist Mitglieder der Parteien, die die heutige Regierung bilden. Jeden- falls wollten die „Treuen des Tem- pelbergs" wieder einmal den Ver- such unternehmen, den Grundstein zum neuen Tempel auf dem Tem- pelberg zu legen.

Dies wurde zwar verboten, doch es war bereits zu spät. Die Araber waren aufgebracht und verhetzt - und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Im Sicherheitsrat der UNO ver- suchten die USA soweit wie mög- lich einen Beschluß zur Abstim- mung zu bringen, der es ihnen er- leichterte, für ihn zu stimmen. Der Kompromiß verurteilte zwar Israel auf das schärfste, doch war er den militanten Arabern noch zu schlicht. Jedenfalls stimmten alle 15 Sicherheitsratsmitglieder für diesen.

Schamirs Kabinett war wie vor den Kopf gestoßen. Denn dieser Beschluß sah unter anderem die Entsendung einer UNO-Kommis- sion nach Jerusalem vor, um dort an Ort und Stelle die wahren Tatsa- chen zu erfahren.

Der amerikanische Außenmini- ster James Baker schrieb einen persönlichen Brief an Israels Au- ßenminister David Levy, der mit den Worten „Lieber David" be- ginnt. Baker beschwor seinen Amtskollegen, die UNO-Delegation zu empfangen. Doch David und sein Boß Schamir blieben hart. Diese Delegation sollte nicht empfangen werden. Und mehr noch: Israels Botschafter erhielt den Auftrag, der UNO mitzuteilen, daß die Kommis- sion in Israel nicht willkommen sei. Bakers Argumentation, daß nun Israel mit dem Irak gleichgestellt werden könne und eine solche ab- lehnende israelische Reaktion eine weitere Kampagne in der UNO gegen Saddam Hussein vereitle, interessierte im israelischen Kabi- nett niemanden. Denn nach David gehe es „um unsere Nationalehre, und da lassen wir nicht mit uns spaßen".

Schamir konnte offensichtlich nicht anders handeln, denn sonst wäre sein hundert Tage altes Kabi- nett sofort in die Brüche gegangen - wobei der rechtskonservative Schamir noch gemäßigt gilt im Vergleich zu den anderen rechten Parteien der Koalition.

Der UNO-Beschluß zweifelt die uneingeschränkten Rechte Israels auf ganz Jerusalem an und erkennt die offizielle Vereinigung der Stadt von 1967 nicht an. Aus diesem Grund schlug die linke Opposition, die Arbeiterpartei und weiter links stehende Parteien, vor, die Delega- tion unter Protest zu empfangen und zwar auf niedriger Ebene; kei- ne Minister, sondern nur Beamte sollten als Kontaktpersonen die- nen. Der Likud war auch dagegen. Denn es gehe um Jerusalem.

In Wirklichkeit hat bis heute fast die gesamte Welt Jerusalem nicht als die vereinigte Hauptstadt Is- raels anerkannt. Dies ist der Grund dafür, warum bis heute alle auslän- dischen Botschaften in Tel Aviv plaziert sind.

Der UNO-Sicherheitsratsbe- schluß sieht Ostjerusalem als Teil der besetzten Gebiete an - und kann sich deswegen dort auch einmi- schen. Israels Regierung hat es schwer. Sie versteht bis heute nicht, warum man Israel viel mehr auf die Finger sieht als anderen Staaten.

Israels Weigerung, die UNO-Delegation zu empfangen und die Sicherheitsresolution Nummer 672 anzuer- kennen, wird noch Folgen haben. Die USA sehen darin eine Undankbarkeit - und werden dementspre- chend handeln. Im Sicherheitsrat hinge- gen werden weitere Sanktionen gegen Is- rael erwogen.

Wieder einmal zeig- te es sich, daß Natio- nalstolz allein nicht genügt, um Politik zu machen. Selbst wenn Israel die UNO-Dele- gation empfinge, würde diese Tatsache nichts am Status Je- rusalems ändern. Doch wäre damit die Regierung Schamir gefallen.

So wird nun die Ver- bindung mit dem Konflikt am Persi- schen Golf hergestellt, was die USA - und an erster Stelle Israel - ursprünglich verhin- dern wollten.

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