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Gefühl der Ratlosigkeit

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Lebensgefühl ist nach meinem Verständnis eine Art von Instinkt, eine Witterung, die im einzelnen schwer artikulierbar ist. Aus diesem Grund ist es auch nicht ganz leicht, das „Lebensgefühl" präzise zu beschreiben.

Wichtig erscheint mir der Hinweis, daß sich das Lebensgefühl aus sehr vielfältigen, einander zum Teil widersprechenden Empfindungen zusammensetzt. Einheitlich ist höchstens die Illusi-onslosigkeit gegenüber der Zukunft und das Gefühl einer gewissen Hilflosigkeit und Ratlosigkeit gegenüber den heutigen Problemen.

Aus dieser überwiegend pessimistischen Zukunftsbetrachtung wird es auch verständlich, daß der Wunsch nach „Gewohntem" und „Vertrautem" größer ist als das Bedürfnis nach Veränderung.

Die Mobilität ist ebenfalls rückläufig. In einer Zeitphase, die eigentlich eine elastische Anpassung an das berufliche Angebot an die Veränderungen des Arbeitsmarktes erfordert, sind die Umzugsabsichten und Neigungen zu beruflichem Umsteigen eher geringer geworden.

Bezeichnend für das berufliche Verhalten ist ansonsten, daß man der Sicherheit eines Arbeitsplatzes einen höheren Stellenwert einräumt als der Ausstiegsmöglichkeit, die er bietet.

Kennzeichnend für das Denken der Mehrheit erscheint mir auch, daß sich die Veränderungen im subjektiven Empfinden der Bevölkerung ganz allgemein zu schnell vollziehen. Die Zeit läuft den Österreichern sozusagen davon.

Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang natürlich der Eindruck von den neuen

Technologien und der Technik überhaupt. Die Lösungskompetenz der Technik wird nach unseren Beobachtungen zunehmend in Zweifel gezogen. Allerdings bedeutet dies nicht automatisch ein Umschlagen in eine explizite Technikfeindlichkeit. Stark vermehrt haben sich vielmehr die Unentschiedenen zur Frage, ob die Technik eher Fluch oder Segen ist.

Charakteristisch für die Haltung der Bevölkerung gegenüber der Technik ist, daß man einerseits ganz gern sein Unbehagen gegenüber der Technisierung zum Ausdruck bringt, andererseits jedoch auf technische und wissenschaftliche Errungenschaften weder verzichten könnte noch möchte.

Ein wenig schizophren mutet auch die Einstellung zur Mikroelektronik an. Einerseits sagt man ihr nach, daß sie von den Menschen im Beruf immer mehr Wissen und Können verlangen, eine große Arbeitslosigkeit bewirken und im übrigen das Zusammenleben der Menschen stark verändern wird. Andererseits vertritt man die Uberzeugung, daß ein Land ohne moderne Mikroelektronik in Zukunft völlig chancenlos sein wird.

Was die Bevölkerung alles in allem verspürt, ist Angst und Unsicherheit, wonach sie sich sehnt, sind Hoffnung und positive Aspekte des Fortschritts. Wir befinden uns in einer Phase, in der die Menschen an manchen bisherigen Uberzeugungen zu zweifeln beginnen und nach neuen Orientierungen suchen.

Eine weitere Gefahr erblicke ich darin, daß durch die Zivilisationskritik ein Ubermaß an Furcht produziert wird. Ein solches Ubermaß an Furcht führt unweigerlich zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lähmungserscheinungen.

Der Autor (Referatusauszug) ist Geschäftsführer des Institutes für Markt- und Sozialanalysen in Linz.

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