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„Getötet, verstümmelt..

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,JVIit vollem Recht wi«i heute diskutiert, wie weit die amerikanischen Hamdlunigen in Indochina eine Verletzung jener Kriegsgesetze darstellen, die in den geltenden Konventionen und in den Prinzipien von Nürnberg niedergelegt sind. Diese Diskussion kann die Staaten von der Notwendigkeit neuer Regeln überzeugen, die gewisse Methoden der Kriegführung verbieten, die leider üblich geworden sind. In Südostasien wird ein Volkskrieg ausgekämpft, in dem die eine Seite aus einem armen Bauemvolk besteht, das die Forderungen, die das traditionelle Völkerrecht stellt, nicht zu erfüllen vermag. DifesėrJrrtien Bauerh-i bevölkerung lind ihren relatif einfachen Waffen steht die mächtigste Nation der Welt au» einem anderen Erdteil, von einer anderen Zivilisation und mit einem technisch weit überiegenen Kriegsapparat gegenüber. Das schafft eine Kriegssituation, die wenig Parallelen kennt. Der eine Partner hat das voUständdige Monopol der Luftherrschaft. Amerikanische Bombenflugzeuge, Jagdflugzeuge, Aufklärungsflugzeuge und Helikopter beherrschen den Luftraum der mdochine-sischen Länder. Der Bodenkrieg der Saigontruppen und ihrer Alliierten wird von amerikanischen Luftangriffen und Bombenangriffen unterstützt. Der Umstand, daß sich — wie man sagte — amerikanische Bodentruppen nicht melir in Kambodscha befinden, bedeutete also keineswegs, daß nicht amerikanische Verbände in Kambodscha kämpfen. Sie kämpfen eben hauptsächlich in der Luft.

Bin Repräsentant für Kambodscha hat gesagt, daß es die Bombenangriffe sind, die das Land zerstören, ndciit die Bodenkämpfe. Man hat beredmet, daß jeder Einsatz zwischen 7000 und 10.000 Dollar kostet. Der Luft-anigrifl auf Nordvietnam am 21. November umfaßte 2000 Einsätze, die also 14 Millionen Dollar gekostet haben. Drei solciie Luftangriffe entspredien der von Schweden geplanten Hilfe für Nordvietnam in drei Jahren. Die strategischen Ziele in Nord-vietniam müssen längst zerstört worden sein, da über Indochina mehr Bomben abgeworfen wurden als von allen kriegführenden Staaten im zweiten Weltkrieg. Zahllose Dörfer sind vernichtet. Napakn- und Splitterbomben haben viele zehntausende Menschen getötet und verstümmelt. Das Völkerrechtliche dieser Art von Kriegführung kann wirklich angezweifelt werden.

Wir sind uns alle dessen bewußt, daß die amerikanische Bombenkriegführung die Weltmeinung aufgewühlt hat, das-seiLbe ist der Fall mit der chemischen Kriegführung. Große Landgebiete sind vergiftet imd .^erstört worden. Forscher haben berfechnėt, daß es viele Jahre dauern wird, bevor die Wunden geheilt sind, die die chemischen Kampfmittel verursacht haben. Und erschreckender noch erscheinen die Ausblicke, wenn man liest, daß diese Mittel auch die Zivilbevölkerung in Form von Krankheiten und Schäden am keimenden Leben getroffen haben. Auch hier ist es zweifelhaft, ob völkerrechtliche Bestimmungen beachtet worden sind, besonders nacii der Annahme der UNO-Resolution vom Dezember 1969, die die Anwendung von BC-Kampfmitteln verbietet. Nahe an 50 Prozent der südviet-namesischen Bevölkerung wdh-nen in Flüchtlingslagern. In Laos sind es nach amerikanischen Angaben 250.000. Die Regierung in Vientiane nennt jedoch höhere Ziffern. Seit dem 1. Februar des Vorjahres haben 60 Prozent der Bevölkerung ihre Wohnstätten verlassen. In Kamibodscha sollen 400.000 Vietnamesen und nahe an eine MKllion Khmer im letzten halliben Jahr evakuiert worden sein. Diese Ziffern geben ein Büd von den Wirkungen des Krieges für die Zivilbevölkerung.

Wenn die Regeln des Völkerrechtes respektiert werden sollen, ist es notwendig, daß sie vor allem von der mächtigsten Nation der WeM beachtet werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil diese Nation — das soll anerkannt werden — sich für die Entwicklung der Kriegagesetze, so, wie sie in Nürnberg festgestellt worden sind, am stärksten einsetzte.”

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