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Hau ab, Papst ist zuviel

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„Wenn man unter einer Theaterstadt eine Stadt versteht, in der alles .Theater", das heißt nichts echt und tief ist, eine Stadt, in der Tag und Nacht Komödie gespielt wird: dann ist Wien eine Theaterstadt kat echochen."

An dieses Wort Egon Priedelis fühlte man sich zunächst erinnert, als jüngst der Theaterrummel um das „Anti-Papst-Fest" der Sozialistischen Jugend Wiens losbrach, während in der Weinhauervor-

stadt Grinzing eine „Papst-Jo-hannes-Paul-II."-Straße geschildert wurde.

Inzwischen hat der groteske Maskenrummel vermeintlicher Grabgespenster einen Charakter angenommen, der nicht mehr nur unter der Chiffre Sommertheater abgehandelt werden kann. Vor allem gilt es, einige klare Unterscheidungen zu treffen.

Jawohl, die linkslinken Jusos (und jedermann sonst) haben ein Recht, dem Papst zu widersprechen. Auch Katholiken machen von diesem Recht des öfteren Gebrauch. Wenn die Jungsozialisten ausgerechnet den 10. September als den ersten Tag des Papstbesuches in Wien für eine Alternativkundgebung aussuchen, kann man ihnen dafür wirklich nicht Taktgefühl bescheinigen.

Ganz anders schon verhält es sich mit dem geplanten Auftritt der Staatssekretärin Johanna Dohnal bei dieser Veranstaltung in der Kurhalle von Wien-Ober-laa. Ihr Mitmachen würde mit der Versicherung des damaligen Bundeskanzlers Kreisky, Österreich fühle sich durch den Papstbesuch ausgezeichnet und geehrt, unvereinbar kontrastieren.

Nun behauptet Johanna Dohnal, sie habe über das Thema „Frau und Kirche" sprechen wollen und vom „Anti-Papst-Fest" . nichts gewußt. Wollen wir es ihr glauben. Wie intensiv sie sich gerade mit diesem Thema befaßt hat, wird man trotzdem noch hinterfragen dürfen. Und das tagelange „Beraten", ob sie nun reden soll oder nicht, wirkte, milde gesagt, doch sehr merkwürdig.

Merkwürdig war auch, daß Bruno Kreisky von Mallorca aus vernehmen ließ: „Die Dohnal soll machen, was sie will", und die Jusos stoppen wolle er auch nicht, denn der Papst sei kein Staatsgast. „Nur beleidigen dürfen sie ihn nicht, das gehört sich nicht."

Der Papst kommt in der Tat nicht als Oberhaupt des Vatikanstaats, sondern als Oberhaupt der katholischen Kirche nach Österreich.

In anderen Staaten mag die Völkerrechtskrücke noch immer ihre guten Dienste tun, um solche Besuche überhaupt zu ermöglichen — für Österreich ist sie entbehrlich. Das hat in dankenswerter Klarheit auch der katholische Völkerrechtler Heribert Köck festgehalten.

Trotzdem: Eine Dohnal-Rede wäre, auch unter dem geänderten Titel „Alternativveranstaltung zum Papstrummel", ein für die gläubigen Österreicher unakzeptabler Affront gewesen.

„Nur beleidigen dürfen sie den Papst nicht." Was aber tun jene, die in der Wiener Innenstadt mit Leiberln umherlaufen, auf denen die Worte „Hau ab, Papst!" zu lesen sind? Ist das eine neue Form der Einladung zum Dialog?

Zuerst hieß es, den Wiener Jungsozialisten ginge es darum, zu demonstrieren, daß man mit der Haltung des Papstes zu Lateinamerika oder zur Sexualmoral nicht einverstanden sei. Das sind manche NichtSozialisten auch nicht.

„Hau ab!" ist aber keine Diskussionsparole, sondern eine Flegelei. Und die Einrichtung fahrbarer „Kirchenaustrittsberatungsstellen" in Wien als „Gegenstück zu rollenden Beichtstühlen und goldenen Sesseln" läßt auch nicht auf Gesprächsabsichten, sondern einzig auf Provokation schließen: Die goldenen Papstses-. sei sind Kaffee von vorvorgestern, und der Protest gegen das Beichtsakrament hat nichts mit dem Papst, nur mit Haß auf den Glauben zu tun.

Warum hassen junge Sozialisten Glauben, Papst und Kirche? Es wäre sicher wünschenswert, darüber offen und vorurteilslos zu sprechen. Aber so?

Nun könnte man sagen: Seien wir froh, daß solche Ausrutscher nur jungen Eiferern passieren, die das Klima der Entspannung zwischen Kirche und SPÖ nicht gefährden können!

Leider stellen sich auch dazu Zweifel ein. Die regierungspai--teiamtliche „AZ" hat Kreisky und Innenminister Lanc am 20. August nachgesagt, sie hätten der geplanten Dohnal-Rede „akklamiert", also zugestimmt.

Und in derselben „AZ" las man zwei Tage später^ von einer bevorstehenden TV-Dokumentation müsse man im Hinblick auf Altbundeskanzler Seipel „befürchten, daß man zu einer Art Ehrenrettung des alten Gangsters schreiten will."

Ignaz Seipel, der alte Gangster. Solche Töne hat man seit 1945 nicht gehört. Und im Licht all dessen gerät die Vermutung, hier versuchten besonnene Altpolitiker der SPÖ, ein paar jugendliche Heißsporne mit der Umarmungsmethode einzübremsen, ins Wanken.

Wer, wie diese Zeitung seit ihrer Gründung 1945, für die Uberwindung von Ressentiments und Schuld (auf beiden Seiten) keine Mühe scheute, scheut in diesen Tagen besorgt die Antwort auf die Frage, ob das Werk gelungen ist.

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