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Nur kein Kulturkampf

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Wenn man manche Zeitungen liest und manche kirchliche Stellungnahmen hört, dann könnte man den Eindruck gewinnen, Österreich stehe am Anfang einer Christenverfolgung. Die Reaktionen auf das mit fragwürdigen Methoden zustandegekommene Interview mit dem neuen Erzbi-schof Hans Groer in einer Illustrierten waren so erbittert, daß man als Katholik erschrickt. Bahnt sich da ein neuer Kulturkampf an?

„Nazi-Methoden“, „Infamie“, „Verfolgung“, „linksrevolutionäre Blätter“ hieß es da. Anlaß der ganzen Aufregung: ein von einer ä la Wallraf getarnten jungen Reporterin vertraulich geführtes Gespräch mit dem Gewählten, das dann veröffentlicht wurde. Es war ein Gespräch über kirchenpolitische Fragen, keine sakramentale Beichte, ein Unterschied, der offensichtlich auch der — keineswegs feindseligen — Interviewerin wohl bewußt war. Trotzdem ein Vertrauensbruch, kein feines Verhalten, gewiß - aber Verfolgung? Wer wirkliche Verfolgung erlebt hat, wird darüber wohl nur den Kopf schütteln können.

Man könnte den Vorfall als Sturm im Wasserglas abtun, wäre da nicht vorher die große katholische Erregung über die Kirchen-Berichterstattung im „Profil“ gewesen und noch früher der gewaltige Wirbel über die Anti-Papst-Veranstaltung, die seinerzeit einige Jungsozialisten anläßlich des Wiener Papstbesuchs organisiert hatten. (Es wurde dann ohnehin nicht viel daraus.)

Jedes Mal reagierte das katholische Milieu empört, beleidigt, defensiv. Vor lauter Ärger und Kränkung machte sich kaum jemand die Mühe, hinter der — gelegentlich rüden — Kritik die ernsthaften und oft legitimen Fragen der Kritiker zu erkennen. Eine säkularisierte, aber durchaus nicht a priori glaubensfeindliche oder gottlose Öffentlichkeit stellt neuerdings Fragen an die Kirche. Wer Fragen stellt, der interessiert sich gemeinhin auch für die Antwort— vorausgesetzt, er bekommt eine.

Meistens bekommt er keine. Dabei ist die ganze Diskussion rund um den „Wende-Bischof“, wie seinerzeit die um den „Wende-Papst“, in Wirklichkeit eine ungeheure Chance für die Kirche, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen — nicht nur über die „Medienthemen“ Abtreibung und Sexualität und weibliche Priester, sondern um die christliche Botschaft selber. Nichts wäre schlimmer, als wenn die sogenannten katholischen „Kernschichten“, liberale Kritik an einem konservativen Oberhirten spürend, nun quasi die Läden dicht machen und einer vermeintlich feindlichen Umwelt den Kampf ansagen wollten.

Es ist nämlich ganz einfach nicht wahr, daß eine feindselige Öffentlichkeit' es auf die Kirche und ihren neuen Erzbischof abgesehen hat. Es stimmt nicht, daß da „eine Jagdgesellschaft“ am Werk ist, wie „Die Presse“ meint, die „das Wild hetzen“ soll. Eher das Gegenteil ist richtig: die Sozialisten umwerben die Kirche seit Jahr und Tag, weil sie schließlich auch von Katholiken gewählt werden wollen, und in den Kreisen der liberalen Intelligenz ist das Interesse an religiösen Fragen heute vermutlich größer denn je.

Die Kirche in Österreich, mit und ohne neuen Erzbischof, hat allen Grund zur Zuversicht und überhaupt keinen Grund für eine Verteidigungsmentalität, in die sie manche offenbar hineinthea-tern wollen.

Freilich, die instinktive Abwehrreaktion, sobald'Kritik laut wird, kommt nicht von ungefähr. Seit der Gegenreformation hat der österreichische Katholizismus etwas Staatlich-Obrigkeitliches. Und seit nach dem Zweiten Weltkrieg - Gott sei Dank - der Friede mit der Arbeiterbewegung geschlossen wurde, sind kirchliche Äußerungen tabu. Man hört sie respektvoll an, aber man hört ihnen nicht wirklich zu.

Es gibt heute in Österreich keinen Haß mehr auf die Kirche, aber, jenseits der regelmäßigen Kirchgänger, wohl auch wenig Liebe zu ihr. Das kommt nicht zuletzt daher, daß manche Fernsehpredigt, manche Radiobetrachtung so unverbindlich-allgemein ist, daß sie hart an den Rand der Banalität gerät. So etwas tut niemandem weh, aber es fasziniert auch niemanden sonderlich. Kein Wunder, daß alles nervös wird, wenn sich plötzlich eine „Wende“ anbahnt. Diese „Wende“, verbunden mit dem Namen Karol Woytyla, wird vielfach als Rückkehr der Kirche zu konservativen gesellschaftlichen Positionen interpretiert. Anderswo, zum Beispiel in Osteuropa, bedeutet sie etwas andres: die Rückkehr zu der ganzen Kraft und Tiefe des Evangeliums. Diese Wende hat nicht den Bruch mit der kritischen Intelligenz gebracht, sondern, im Gegenteil, die Versöhnung mit dieser.

Es wird der Kirche bei ihren Kritikern nicht „schaden“, wenn sie wieder mehr vom lieben Gott spricht als vom Umweltschutz. Aber zur Ängstlichkeit haben die österreichischen Katholiken keinen Anlaß. Sie sollten sich an das schöne und befreiende Wort des Ostberlirter Kardinals Joachim Meisner auf dem Wiener Heldenplatz erinnern: die Kirche Gottes hat keine Feinde.

Es sei denn, sie erfindet sich welche.

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