6825637-1974_10_14.jpg
Digital In Arbeit

Jesus — ein Superstar?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Darstellung des Lebens und Wirkens Jesu Christi hat seit jeher das Schaffen bildender Künstler stark beeinflußt, selbstverständlich auch das der Schöpfer „bewegter Bilder“: schon ein Jahr nach der ersten öffentlichen Filmvorführung im Dezember 1895 gab es einen 220 Meter langen Film von Louis Lumiere mit 13 Szenen unter dem Titel „Die Passion Jesu“, und filmge-schichtlich berühmt ist auch „La Vie et la Passion de Notre Seigneur Jesus-Christ“ von Ferdinand Zecca, 1905. Seit damals gibt es unzählige Filme, die sioh mit diesem Thema beschäftigen und teils die Gestalt Christi in Form naiver Devotionalienbilder „König der Könige“ oder nach „Du sollst dir kein Bildnis machen von deinem Gott“ in indirekter Präsenz (Wie in „Ben Hur“) darstellen oder die — besonders seit den letzten Jahren — eine aktuellere Gestaltung suchen, so Pasolini in seinem Matthäusevangelium „Menschenfischer“ (Christus als Sozialrevolutionär) oder die Heilsgeschichte von Blumenkindern interpretiert: „Godspell“. Nunmehr kommt die Verfilmung einer Christusdarstellung in Form einer „Rock-Oper“ ziu uns, die seit längerer Zeit am Broadway Aufsehen erregt, da die Heilsgeschichte hier in ganz moderner Form interpretiert wird: „Jesus Christ Superstar...“

Wieweit eine derartige Darstellung gültig oder überhaupt möglich ist, muß wohl letztlich jedem einzelnen Besucher zur Entscheidung nach seinem Gewissen überlassen bleiben; doch scheint mir in der Verfilmung durch Norman Jewison zumindest besonders eine Frage im Vordergrund zu stehen: Was ist dieser Jesus Christus im Film eigentlich? Der Erlöser? Oder ein jugendlicher Fanatiker, ein Aufwiegler? Jemand, der Liebe predigt? Welche ist die Idee, die hinter der Gestalt und somit hinter dem Film steht? Ich konnte sie nicht entdecken; was ich erlebte, war eine — zweifellos überaus effektvolle und raffinierte — filmische Version einer modischen Oper über das Leben von Jesus Christus in modernem „Jargon“. Doch um Zeitbezoganheit zu demonstrieren, genügen nicht allein Flugzeuge und Panzer, Soldaten in Tamzeug und mit Maschinenpistolen ausgestattet und Jugend in Jeans; in Kazantzakis „Der Mann, der sterben rhuß“, selbst in Malapartes „Der verbotene Christus“ war die Idee der Christus-Nachfolge, der ewigen Gültigkeit der Passion und der Erlösung viel stärker präsent als in dieser spektakulären Show, die als Improvisation junger Menschen von heute gedacht sein soll, aber in raffiniert-spektakulären Effekten jede Spontaneität erstickt. Fragt man deshalb nach dem Sinn und Grund dieser Verfilmung, bleiben nur wenig schöne Vermutungen über die Spekulation mit einer Zeiterscheinung übrig — leider...

Ein wahres Hohelied menschlicher Größe und im tätigsten Sinne christlicher Moral und Ethik aber demonstriert der ebenso erschütternde wie auch in positiven Werten ergreifende Dokumentarfilm Werner Herzogs über das Leben und Wirken der taubblinden Fini Straubinger in Bayern: „Land des Schweigens und der Dunkelheit“ ist ein Zeugnis des Humanismus und menschlicher Größe, das, wie selten ein anderer Film, das Kino als moralische Anstalt ausweist und adelt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung