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Keine Angst vor Tabus

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Auch wenn einige Fragen (wie Zölibat, Frauenpriester- tum) für hier und heute ent- schieden erscheinen, neh- men sich einige Bischöfe bei der Synode trotzdem kein Blatt vor den Mund.

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Auch wenn einige Fragen (wie Zölibat, Frauenpriester- tum) für hier und heute ent- schieden erscheinen, neh- men sich einige Bischöfe bei der Synode trotzdem kein Blatt vor den Mund.

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„Enttäuschung und Frustration" mache sich - so der brasilianische Kardinal Aloisio Lorscheider - unter vielen Bischöfen breit, wenn sie ihre Anregungen und Vorschlä- ge in den überarbeiteten Texten einer Bischofssynode „nicht mehr wiedererkennen". Die Synode sei eine positive und wichtige Struk- tur, meinte Lorscheider in seiner Bilanz über 25 Jahre Bischofssyn- ode (Papst Paul VI. hat 1965 diese Einrichtung, die den Konzilsgeist lebendig halten soll, geschaffen), bemängelte aber die Öffent- lichkeitsarbeit: „Es wird zu wenig mitgeteilt, und überdies bietet das Mitgeteilte nicht das wirkliche Bild der Synode."

Die Synode sollte sich wieder stärker dem Dialog zwischen Kir- che und Welt stellen, in den letzten Jahren seien praktisch nur rein innerkirchliche Probleme behan- delt worden. Lorscheider schlug auch vor, die Synodendauer von vier auf sechs Wochen zu verlän- gern und ordentliche Synoden (au- ßerordentliche Synoden, Sonder- oder Partikularsynoden erfolgen aus besonderen Anlässen) in Ab- ständen von fünf statt derzeit drei Jahren abzuhalten.

An der derzeit in Rom laufenden - achten - Bischofssynode über „Die Priesterausbildung heute" (30. September bis 28. Oktober) neh- men 238 Bischöfe aus aller Welt (das sind nicht einmal zehn Prozent des Weltepiskopats) sowie Exper- ten und Auditoren teil. Nicht Jo- hannes Paul II. bei der Eröffnung (siehe „Instrumente der Sünde?") sprach sich gegen die Behandlung der Themen Zölibat und Priester- weihe für Frauen aus, vielmehr war es zwei Tage später der Relator der Synode, der brasilianische Kardinal Lucas Moreira Neves.

Neves plädierte für „unver- klemmte Keuschheit" und für gro- ße Sorgfalt bei der Auswahl von Kandidaten für das Priesteramt. Ein katholischer Priester sollte ein spi- ritueller Führer mit guter Ausbil- dung und reifer Persönlichkeit sein, die Ausbildung müßte den Anfor- derungen der heutigen postmoder- nen Gesellschaft entsprechen, ohne realitätsfern zu sein oder lediglich Konzepten der Vergangenheit zu folgen. Die akademische und geist- liche Priesterausbildung müßten aufeinander bezogen und „integral" sein, zu einer Kollision zwischen dem Studium an den Fakultäten und der spirituellen Formung im Seminar dürfe es nicht kommen.

Widerspruch erfolgte prompt. Ein anderer brasilianischer Ober- hirte, Bischof Valfredo Bernardo Tepe von Ilheus, sprach sich dafür aus, die Frage der Zulassung reifer und glaubenserprobter Ehemänner („viri probati") zur Priesterweihe ernsthaft und „ohne Angst vor Tabus" zu erörtern. Der Bischof von Nassau/Antillen, Lawrence A. Burke, warf im Zusammenhang mit dem Zölibat die Frage auf, ob die Kirchen in den neuen unabhängi- gen Ländern an die kulturellen For- men Europas gebunden bleiben müßten, man solle nicht „Einheit mittels Uniformität" herstellen wollen.

Die Themen Zölibat und „Inkul- turation" beherrschten auch wei- tere wichtige Wortmeldungen. Es nimmt nicht wunder, daß beson- ders Synodenteilnehmer aus der Dritten Welt - etwa der Bischof von Kenema (Sierra Leone), John C O'Riordan - hervorhoben, daß Seminaristen im Zuge ihrer Aus- bildung nicht von ihrer traditio- nellen Kultur, Sprache und Denk- weise entfremdet werden.dürften.

Für Grundsatz-Diskussionen sorgte ein auf Latein gehaltener Vortrag des deutschen Kurien- kardinals Joseph Ratzinger, in dem dieser den sakramentalen Charak- ter des Priesteramtes hervorhob und meinte, eine rein funktionale Sicht im Sinne der Reformations- theologie - der Priester in erster Linie als beauftragter Gemeinde- leiter und Gemeindeverwalter - habe zur Verunsicherung beigetra- gen und sei mitverantwortlich für den Einbruch im Priesterbild. Als „Appell zur Härte" oder eine „At- tacke gegen die Nachkonzils-Theo- logie" wertete die italienische Pres- se diesen Vortrag, der dazu bei- trug, daß es dieser Synode an Ge- sprächsstoff nicht mangeln wird.

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