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Kühn wie die Bibel

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Wenn Jacques Pohier „Gott” sagt, dann ist das im Sinne Meister bckharts gemeint, dessen tief mystischer Satz „Gott wird Gott, wenn die Geschöpfe Gott sagen” das Motto jenes Buches bildet, um des-sentwillen der französische Dominikarier Schwierigkeiten mit dem kirchlichen Lehramt bekam.

In der soeben erschienenen deutschen Ausgabe gibt es ein 40 Seiten langes Vorwort, wo der gesprächsbereite und mit großem theologischen Ernst um Vermittlung bemühte Ordensmann aus Paris seinen Fall darstellt, der - verglichen mit dem seines prominenten Kollegen Hans Küng - gewissermaßen mit Zimmerlautstärke über die Bühne ging.

Die im vollen Wortlaut abgedruckte Erklärung der römischen Glaubenskongregation, in der Pohier „offenkundige Irrtümer” und damit verbundene „andere gefährliche Aussagen” zur Last gelegt und im einzelnen aufgezählt werden, enthält unter anderem den folgenden interessanten Passus: „Was die Gottheit Christi betrifft, drückt sich der Autor in einer so ungewohnten Weise aus, daß man nicht beurteilen kann, ob er diese Wahrheit wirklich im katholischen, überlieferten Sinne anerkennt.”

Was ist davon zu halten? Als Laie möchte man fragen: Wer sonst sollte dergleichen wohl mit Fug beurteilen können als eine Kongregation für die Glaubenslehre und wozu sonst, wenn nicht zu eben dem, sei eine solche wohl da? Als Nichtlaie weiß man, daß das ungewohnt neue Sprechen allemal verwirrt hat und verdächtig war. Und als neutestamentlich ermutigter Leser schließlich („Prüft alles, das Gute behaltet”) kann man sich selber davon überzeugen, daß Pater Pohier, der es einem zwar einerseits leicht macht, weil er genau bei jenen Fragen einsetzt, die einen heute Glaubenden bewegen, andererseits seinen Lesern ein gerüttelt Maß an mitdenkender und mitvollziehender Bemühung abverlangt, ohne welche man wohl nur schwer Zugang zur spirituellen Tiefe und zur Mystik dieses Mannes finden kann, der hier seinen Glauben bezeugt.

Gewiß sind Pohiers Gedanken, sein Ansatz bei alttestamentlichen Ursprünglichkeiten, bei Abraham und Moses, seine Interpretationen der Schekinah, des „Gott-mit-Uns” und schließlich die Entfaltung an der Person Jesu ungewohnt und kühn. Aber diese Kühnheit ist die Kühnheit der Bibel, die Kühnheit des Glaubens selber, der Gott mehr gehorcht als den Menschen. Pohier hat - daran besteht kein Zweifel -sein Buch als Zeuge eines lcbendigen Glaubens geschrieben. Als diesen, als „martyr” des Glaubens, brauchen wir ihn. Wir brauchen ihn nicht als Märtyrer.

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