6972351-1985_35_06.jpg
Digital In Arbeit

Lenin und die Arbeiter von Damjg

Werbung
Werbung
Werbung

Beinahe als „Jubiläumsschrift” zum 31. August 1980, als die Danziger Arbeiter mit ihrem offenen Protest gegen das polnische Regime die ganze Welt auf die mißlichen Verhältnisse in ihrer Volksrepublik aufmerksam gemacht hatten, ist in Moskau ein Buch herausgekommen, das sich mit den Gründen der „polnischen Krise” auseinandersetzt.

Die Autoren — Kornylov, Kuznecow und Nikolaev — gaben ihrer Publikation den schon in sich vielsagenden Titel: „Wie wird eine Verschwörung in die Tat umgesetzt?”

Ihre These ist eindeutig und gar nicht neu: Die polnische Krise sei im Grunde genommen nicht nur die Folge einer imperialistischen Verschwörung gegen den Sozialismus, sondern gleichzeitig auch ein Anschlag gegen den Frieden in der Welt.

Was sind nun die „wissenschaftlichen Beweise” der Autoren?

Es lohnt sich, einige ihrer Beispiele zu zitieren: Sie berufen sich auf einen Geheimbericht des polnischen Innenministeriums vom Juni 1981, wonach in den kapitalistischen Ländern, und zwar vor allem in den USA, nicht weniger als 400 „anti-polnische” Zentren beziehungsweise Institute existieren, die ihre Aufgaben einzig und allein im Schüren von Unruhen und Hetzen gegen Volkspolen sehen.

Dazu kämen noch die im Ausland tätigen feindlichen Radiosender wie Radio Freies Europa „und andere”, die die Bürger der Volksrepublik mit ihrer „kapitalistischen Demagogie” in ihrem Gedankengut „verwirren” würden.

Aber nicht nur die psychologische Waffe werde gegen Volkspolen von „außen her” eingesetzt. Die sowjetischen Autoren behaupten kategorisch, ihnen sei bekannt, daß in den NATO-Stäben seit 1980 regelmäßig Stabsübungen zu dem Thema durchgeführt würden, wie man Polen militärisch überrumpeln könnte.

Das Buch, vom Moskauer Politischen Verlag in 100.000 Exemplaren herausgebracht, ist also nichts anderes als eine billige Propagandaschrift, bar jeder Wahrheit, in Ton und Aufmachung genauso verfaßt wie sowjetische Publikationen zum Ost-Berliner Aufstand oder zum Prager Frühling.

Dabei sollten doch gerade sowjetische Autoren ihren Lenin kennen, der im Juni 1918 in seinem Schlußwort zur IV. Konferenz der Gewerkschaften in Moskau über die Frage revolutionärer Massenbewegung wörtlich erklärt hatte:

„Es gibt Leute, die da glauben, eine Revolution könne in einem fremden Land auf Bestellung, nach Ubereinkunft entstehen. Diese Leute sind entweder Wahnwitzige oder Provokateure. Wir wissen, daß Revolutionen weder auf Bestellung noch nach Vereinbarung gemacht werden können; daß sie dann ausbrechen, wenn Millionen und aber Millionen zum Schluß kommen, man könne so nicht mehr weiterleben ...”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung