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ln der Nachfolge Jesu
Die Tatsache, daß in einer geradezu hektischen Unrast heute Buch um Buch über Jesus von Nazareth erscheint, zeigt zur Genüge, daß die Welt weniger denn je mit diesem rätselhaften Mann fertig wird. Der gläubige Christ und Katholik, meint Urs von Balthasar, kann dieser Auseinandersetzung nicht - auf sein Credo gestützt - gelassen Zusehen. Er muß hier und heute bereit sein, seine Entscheidung zu verantworten und sie deshalb auch neu den Anfragen und Angriffen gegenüber zu überprüfen.
Die eben zu Ende gegangene Deutsche Synode hat als Einleitung und abschließende Zusammenfassung zugleich ein bedeutendes Dokument verabschiedet, in dem Rechenschaft zu geben versucht wird über die christliche Hoffnung im Sinne von 1 Petr. 3/15: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.”
Ähnlich ist der Christ heute mehr denn je gefordert, Auskunft und Rechenschaft zu geben, warum er anders urteilt, handelt und lebt. Unterscheidet er sich aber nicht, wird ihm unerbittlich vorgehalten, warum er es nicht tut. Im tiefsten ist dies die Frage nach der Liebe.
Denn seine Antwort sich selbst und den anderen gegnüber wird zuletzt nicht im Hinweis auf viele Gebote, Verbote und Regeln bestehen, sondern eher in der Berufung auf den Herrn, sein Wort, sein Leben, sein Beispiel, seine Hilfe. Die zentrale Idee des christlichen Lebens und Handelns ist die Nachfolge Jesu. Man wird aber nur eine Person als Vorbild nehmen, wenn man sie liebt. Einem nachfolgen heißt also im letzten sich ihn zum Vorbild wählen, weil man von Liebe zu ihm ergriffen ist. Das ist aber dann mehr als eine bloße Nachahmung. Das Nachbild im Sinne echter Nachfolge wird stets eine Neuschöpfung des Vorbildes durch den Jünger sein. Der Christ versucht zu handeln, wie Jesus gehandelt hat oder hätte nach allem, was uns an Wort und Tat von ihm überliefert ist, in je eigener Ausprägung.
Wenn aber die Liebe die Vorausset zung der Nachfolge ist, gilt die Augu- stinische Formulierung: „Dilige, et quod vis, fac - liebe nur, dann mach, was du willst!” Das bedeutet kein Christentum zu herabgesetzten Preisen, kein Auswahlchristentum, aber doch einen Weg zu Freiheit und Freu de. Wenn mein Wille eingebunden ist in die Liebe zum Herrn, dann kann ich nichts gegen seinen Willen tun. Wie würde ich ihn sonst wirklich und nicht nur mit Worten lieben.
In dieser Liebe ist die „größere Gerechtigkeit als die der Schriftgelehrten und Pharisäer”, ist die „Erfüllung” gegeben, von der der Herr in der Bergpredigt spricht: „Ich bin nicht gekommen aufzuheben, sondern um zu erfüllen.”
Nachfolge des Herrn und damit zuletzt Liebe zum Herrn ist nicht nur eine programmatische Erklärung in festlichen Stunden, sondern sucht sich im Alltag zu verwirklichen und in der Ausdauer zu bewähren. Sie weiß sich dabei auf die Hilfe Gottes verwiesen und auf das Gebet. Damit begegnet aber der wahrhaft Liebende, seinem Meister nach, dem Kreuz in seinen vielfältigen Formen. Auch er leidet darunter, wie der Herr selbst darunter gelitten hat, aber er flieht nicht davor und wird darob nicht irre an Gott und der Kirche. Er erliegt nicht der Gefahr, daß ihm Kreuzesreligion zur Wohlstandsreligion wird.
Lassen wir uns nicht entmutigen von der höhnischen Rede: Nach fast 2000 Jahren Christentum ist die Welt noch immer nicht anders geworden, merkt man vom Christentum nicht allzuviel. Die zuletzt von Gott geschenkten Gaben Glaube, Hoffnung und Liebe lassen sich nicht addieren von Generation zu Generation. Jeder muß neu anfangen mit dem Anfang, den Gott in der Taufe setzt. Der Meister ruft auch heute noch und findet auch heute noch Gefolgsleute, jeden mit seinem eigenen Gesicht, aber alle mit brennendem Herzen.
(Die einzelnen Folgen des ORF-Studienpro- gramms „Wem glauben” werden jeweils am Donnerstag um 19 Uhr im Programm 6 1 gesendet und am selben Tag um 22.25 Uhr in O R sowie am folgenden Montag um 15.05 Uhr in ö R wiederholt.)
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