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Muse für Muße

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In der Wirtschaft, in den Wirtschaftsministerien, in jenen Stellen und Ämtern der öffentlichen Verwaltung, wo es um kaufmännische Dinge geht, wo Handelsprobleme behandelt werden, dort überall ist es selbstverständlich, daß man nicht nur Juristen, sondern besonders Wirtschaftswissenschaftler und Welthändler anstellt., Im Landwirtschaftsministerium werden groß- teils Agraringenieure, Diplomlandwirte neben Juristen (für Gesetzesfragen) eingestellt. Nur Sei der Kunst gilt diese vernünftige Regel nicht. Und der Effekt (Erfolg kann man leider wirklich nicht sagen!) ist dementsprechend.

Zum Leidwesen der Künstler. Gerade im Unterrichtsministerium

— der Titel allein zeigt schon den Historismus unseligen Angedenkens, der dort „waltet“ — kennt man nur Juristen und in der Schulsektion

Lehrer. Gerade aber in der Kunstsektion sollte und müßte mehr darauf Wert gelegt werden, daß die betreffenden Referenten doch auch mit der Kunst vertraut sind.

Einzig und allein für die Literatur hat es sich eingebürgert, daß Germanisten beschäftigt werden. Bei Musik und Theater ist das nicht so. Wenn es sich auch zum ganz überwiegenden Teil „nur" um Verwaltungsagenden handelt, um Vergebung von Subventionen, Abrechnungen und dergleichen, sollte der betreffende Referent doch musikalisch „belastet“ sein. Es müßte zumindest getrachtet werden, daß er aus Interesse und Liebe sich der Musik zugetan fühlt.

Am bösesten sieht es aber mit Branchenkenntnissen bei der bildenden Kunst aus. Sicherlich wird man kaum einen Absolventen einer Akademie auf solch einen Verwaltungs posten setzen können. Aber es müßte eben Ausschau gehalten werden nach Mischtypen, die die Liebe, das Interesse für die bildende Kunst auf irgendeine Art mitbringen und dies auch in ihrem bisherigen Leben schon durch die Tat bewiesen haben. Im Notfall könnte auch das Studium der Kunstgeschichte genügen, obwohl dies meistens vor dem pulsierenden Leben etwas zurückschreckt.

Schließlich gibt es solche Menschen auch in Österreich. Es sei nur auf einen Dr. Sittner hingewiesen, auf einen Ministerialrat Dr. Thalhammer, auf den Germanisten Dr. Brunmayer. Aber es hat den Anschein, daß man diesen Weg nicht weitergehen will. Oder nicht kann.

Sicherlich spielt hier auch eine große Rolle, daß das ganze Klima derzeit im Bundesministerium für Unterricht und Kunst den Künsten nicht geneigt ist. Schule wird ganz groß geschrieben, in allen ihren Varianten und Erscheinungsformen, Wissenschaft rangiert gleichberechtigt, Naturwissenschaften sind das Idol unserer Zeit. Kunst „liegt“ nicht gut. Das trägt nichts, gibt keine Prozente, braucht man nicht für eine Wahl. Ein Phänomen, mit dem sich

Psychologen auseinandersetzen müßten. Traurig und bedenklich ist nur, daß in Österreich diese große Verachtung — „net amol ignorieren", wie Nestroy sagt — nur und gerade in Österreich so hundertprozentig Mode ist. Andere Länder, andere Lenker, andere Philosophen erkennen immer mehr, daß gerade durch diesen Trend zur Anbetung der Computer, verbunden mit der Arbeitszeitverkürzung = Freizeitverlängerung, den musischen Dingen ein wesentlicher, um nicht zu sagen ausschlaggebender Einfluß zukommen wird. Es besteht sonst die Gefahr, daß die Freizeitindustrie auch die Freizeitbeschäftigung uniformiert, normiert, fix und fertig ins Haus liefert! So daß wir nicht nur an unseren Arbeitsplätzen eine welteinheitliche Tätigkeit ausüben, sondern auch in unserem Privatleben gleichgeschaltet werden. Und hier kann nur die Kunst, die Muse die Muße retten. Begonnen wird aber dieser Rettungsweg an oberster Stelle: Bei der Kunstverwaltung (welch schreckliches, armseliges Wort).

Es braucht wohl nicht betont zu werden, daß an diesem Beispiel des Ministeriums sämtliche anderen derartigen Ämter in den Ländern, Städten und Gemeinden durchexerziert werden können und auch müssen. Es wäre nur gut für die Kunst.

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