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Nichtinformation gegen Panik?

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Man könnte erwarten, daß die Regierung wenn schon nicht einige Jahre, so wenigstens einige Wochen vorausdenkt, damit sich Herr Österreicher, sei es als Konsument oder im Fremdenverkehr tätig, darauf geistig einstellen kann. Leider scheint unseren Verantwortlichen aber überhaupt keine Voraussicht gegeben zu sein. Die Einigung der Sozialpartner über das Mitbestimmungsgesetz war doch um so vieles wichtiger... der österreichische Arbeiter wird sicher entzückt sein, ab 1. Jänner 1974 darüber mitbestimmen zu können, ob er seinen Arbeitsplatz freiwillig verläßt oder sich zwangsweise wegen Energiemangel kündigen läßt. Es geht nämlich gar nicht mehr darum, ob mehr oder weniger Benzin für Ausflugsfahrten verbraucht wird, sondern darum, trotz Energiemangel die Arbeitsplätze zu erhalten. Freilich: der Energiemangel kann in Österreich nicht plötzlich behoben werden,

wenn er weltweit auftritt — ober man kann versuchen, die daraus wirtschaftlich für den einzelnen notwendigen Einschränkungen durch rechtzeitig vorgenommene vernünftige Maßnahmen nicht auf ein unerträgliches Maß anschwellen zu lassen.

Aber das scheint, gemessen an den bisher nicht vorgesehenen Maßnahmen, nicht Regierungsmeinung zu sein. So vieles hätte schon längst geschehen können — auch ohne Gesetzesgrundlagen.

• Man könnte erst einmal (ohne Gesetzesgrundlage) Einschränkungen der öffentlichen Beleuchtung verfügen. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren wurden in den meisten kleineren Ortschaften Straßenbeleuchtungen installiert (in vielen Fällen vor der notwendiger gewesenen Kanalisation), die nunmehr während der ganzen Nacht Strom — und damit aus den kalorischen Kraftwerken Öl

verbrauchen. Auch Autobahnbeleuchtungen im Gebiet von Wien sind keinesfalls wirklich notwendig. Solche und ähnliche, noch immer übliche Vergeudung von Energie müßte in dieser Zeit sofort aufhören.

• Man könnte den Import von Pkw mit einem Benzinverbrauch von mehr als 12 Liter je hundert Kilometer sofort einstellen (und übrigens dadurch Devisen sparen), den Verbrauch von mehr als 15 Liter generell, weil vorausschauend, verbieten. In der Zwischenzeit können sich Personen, die einen „Benzinfresser“ fahren, einen sparsameren Wagen besorgen.

• Man müßte rechtzeitig die Aufträge zum Bau und zur Lieferung von öffentlichen Verkehrsmitteln erteilen, damit der Abnahme des Indi-vidualverkehrs nicht Mitte 1974 ein Chaos im Massenverkehr folgt.

• Der Bau neuer Straßen, auch der bereits begonnenen, wäre sofort ein-

zustellen (mit Ausnahme von Tunnelbauten zur Verkürzung längerer Verkehrswege). Dagegen wäre der Ausbau der Wasserkraftwerke zu beschleunigen, wobei die Bauzeit nach der kürzestmöglichen technischen Fertigstellungszeit ohne Rücksicht auf Kosten, und nicht nach Finanzierungsplänen einzuteilen ist.

• Der Bau von Sportstätten müßte gefördert werden, um der Bevölkerung, die bisher gewohnt war, Fahrten am Wochenende zu unternehmen, die Möglichkeit zu geben, etwa Sport in der Freizeit zu treiben.

• Die ÖBB könnte schon heute Sonntags- und Wochenendfahrpläne aufstellen, um für den wahrscheinlichen Ansturm im Falle des Sonntags- (oder vielleicht Wochenend-) fahrverbotes gerüstet zu sein.

Es genügt nicht, die Benützung des eigenen Pkw einzuschränken. Man muß dem Menschen mit verhältnismäßig großer Freizeit auch etwas anzubieten haben, wenn man infolge mangelnder Vorsorge gezwungen wird, ihm etwas von seiner gewohnten Freiheit zu nehmen. Das dürfen aber keine „flankierenden“, also gleichzeitig erfolgenden Maßnahmen

sein, sondern schon vorhergeplante, vorausschauende, vorauswirkende.

Mögliche Konsequenzen

Falsche Information ist Lüge, jemanden zu spät informieren, heißt, ihm- zur rechten Zeit bewußt eine Information vorzuenthalten und kommt einer Lüge gleich. Der nicht informierte Mensch bekommt Angst, das Falsche zu tun — er tut daher entweder gar nichts, wird in seinem Tun gelähmt oder er gerät in Panik, tut irgend etwas, das meist böse Folgen hat.

Gerade in dieser Situation, in der unsere Handlungsfreiheit von außen wirksam eingeschränkt wird, ist vorausblickende Information der Bevölkerung über die möglichen Folgen einer permanenten Energiekrise notwendig. Die Folgen werden letztlich nicht nur Einschränkungen des privaten Pkw-Verkehrs sein, sondern darüber hinaus Einschränkungen nicht unbedingt lebensnotwendiger Produktionszweige, damit eine Verminderung der Zahl der Arbeitsplätze, der Höhe des Bruttonationalpro-duktes und somit auch des Einkommens jedes einzelnen.

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