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Nur noch Große

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Die Frage ist nicht neu — aber seit dem 6. Dezember 1970, nämlich seit dem 22. Landesparteitag der niederösterreichischen Volkspartei in Tulln, wird sie in einem Ausmaß wie nie zuvor diskutiert: Braucht Niederösterreich, das größte der neun Bundesländer, eine eigene Hauptstadt?

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Die Frage ist nicht neu — aber seit dem 6. Dezember 1970, nämlich seit dem 22. Landesparteitag der niederösterreichischen Volkspartei in Tulln, wird sie in einem Ausmaß wie nie zuvor diskutiert: Braucht Niederösterreich, das größte der neun Bundesländer, eine eigene Hauptstadt?

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Es gibt nicht wenige, die ob der Heftigkeit des Für und Wider fragen, ob denn Niederösterreich zur Zeit keine größeren Sorgen habe. Etwa, wie man die nach wie vor andauernde Abwanderung stoppen, die Infrastruktur verbessern und die Industrialisierung verbessern könne, um auch diesem Bundesland den Anschluß an den Standard der anderen Länder zu sichern. Die Skeptiker, beziehungsweise Gegner einer eigenen niederöstenreichischen Landeshauptstadt übersehen all endings eines: daß alle diese Probleme nicht unwesentlich daraus resultieren, daß eben Niederösterreich heute kein eigenes politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum hat — besser gesagt: nur ein Zentrum, das ein anderes Bundesland ist, nämlich Wien. Da nun in der heutigen Zeit eine zukunftsorientierte Politik nicht über den Daumen gėpeilt oder ausschließlich vom Gefühl bestimmt werden kann, sondern nach den Grundsätzen moderner Raumordnung erstellt werden muß, liegt es auf der Hand, daß auch das Problem Landeshauptstadt einmal ausdiskutiert werden muß.

Ehe also die Politiker eine Entscheidung treffen können, sollen die Wissenschaftler ans Werk gehen. Landeshauptmann Maurer handelte daher konsequent, als er auf dem Landesparteitag der ÖVP in Tulln ankündigte, er werde ein angesehenes wissenschaftliches Institut mit den Erhebungen über die Vor- und Nachteile einer eigenen niederösterreichischen Landeshauptstadt betrauen.

Noch vor fünf Jahren gab es in Niederösterreich nicht weniger als 1650 Gemeinden’, darunter dutzende mit nicht mehr als 100 oder 200 Einwohnern. Solche Kleinstgemeinden sind jedoch heute auch nicht mehr annähernd in der Lage, den Anforderungen gerecht zu werden, welche die Bevölkerung mit Recht an eine Kommunalverwaltung stellt. Bisher erfolgten die Zusammenlegungen zu größeren Gemeinden auf der Basis der Freiwilligkeit. Das Ergebnis ist durchaus beachtlich. Die Zahl der niederösterreichischen Gemeinden hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 850 verringert. Das Ziel, das sich die führende ÖVP gesetzt hat, ist, daß es in Niederösterreich vom 1. Jänner 1972 an keine Gemeinde mir. weniger als 1000 Einwohnern geben soll. Die Absichten der Sozialsten tendieren allerdings in eine andere Richtung. Sie möchten die Gemeinde- Zusammenlegungen perpetuieren, das heißt in Phasen fortsetzen — und zwar so lange, bis es nur noch eine relativ geringe Anzahl kommunaler Mammutgebilde gibt.

Die Pläne sowohl der ÖVP wie auch der SPÖ sind freilich von parteipolitischen Überlegungen bestimmt. Da ein Kompromiß so gut wie ausgeschlossen scheint, wird die Volkspartei, was die Gemeindezusammenlegungen betrifft, deshalb von ihrer Mehrheit Gebrauch machen und die Reform der Kommunalverwaltung mit Ende 1971 abschließen. S. H.

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