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Punkte für den Bundeskanzler

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A Is der Kanzler seinen Berich t beendet hatte, geriet der Kandidat in Schwierigkeiten. Helmut Schmidts Unterrichtung des Deutschen Bundestages über die Ergebnisse seiner Moskau-Reise und die A ntwort von Franz Josef Strauß daraufhaben eines klargestellt: Der Platzvorteil eines amtierenden Regierungschefs ist für einen noch so rührigen Oppositionsführer kaum aufzuholen. Und im speziellen Fall der deutschen A ußen- und Sicherheitspolitik scheint Strauß das Rennen schon verloren zu haben.

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A Is der Kanzler seinen Berich t beendet hatte, geriet der Kandidat in Schwierigkeiten. Helmut Schmidts Unterrichtung des Deutschen Bundestages über die Ergebnisse seiner Moskau-Reise und die A ntwort von Franz Josef Strauß daraufhaben eines klargestellt: Der Platzvorteil eines amtierenden Regierungschefs ist für einen noch so rührigen Oppositionsführer kaum aufzuholen. Und im speziellen Fall der deutschen A ußen- und Sicherheitspolitik scheint Strauß das Rennen schon verloren zu haben.

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Bis zum Weltwirtschaftsgipfel in Venedig sah es ja noch so aus, als wenn die CDU/CSU mit ihren Warnungen und Befürchtungen hinsichtlich der Schmidt-Visite bei Breschnew recht behalten sollte. Der vom Mißtrauen gekennzeichnete Brief des amerikanischen Präsidenten Carter an den deutschen Bundeskanzler war da nur die Spitze des Eisberges.

Die entscheidende Frage im Vorfeld der Reise lautete, wem das denn nun nütze und was dabei herauskommen könne. Dieses „cui bono” war nicht zu Unrecht in die Debatte geworfen worden.

Seit Helmut Schmidt einige Wochen zuvor in seiner Hamburger Rede davon gesprochen hatte, man könne doch den Vollzug des NATO-Nachrüstungsbe-schlusses vorerst aussetzen und die Zeit zu konkreten Abrüstungsverhandlungen mit den Sowjets nützen, war auch bei den amerikanischen Verbündeten der unbehagliche Eindruck entstanden, die Deutschen planten einen Alleingang und würden möglicherweise der NATO gar in den Rücken fallen, nur um mit den Sowjets ins reine zu kommen.

Gleichzeitig mehrten sich in der SPD die Stimmen, die von Rüstungsbegrenzung um jeden Preis sprachen und stimmungsmäßig damit durchaus einer Mehrheit in der Partei aus dem Herzen sprachen. Das Wort von der „Moskau-Fraktion” machte die Runde.

Der Kanzler bemühte sich redlich, das alles als Mißverständnis hinzustellen. Die halbe Entschuldigung aus Washington, der Carter-Brief beruhe auf möglicherweise nicht ganz zutreffenden Zeitungsinformationen, gab Schmidt nach außen hin recht. Und der Bericht des .Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel” vom Venediger Gipfel, demzufolge der Bundeskanzler dem amerikanischen Präsidenten die Leviten gelesen habe (und nicht umgekehrt) machte die Exkulpation perfekt.

Wie schwer es für die CDU/CSU ist, aus der Moskau-Reise innenpolitisches Kapital zu schlagen, wurde dann während und unmittelbar nach der Reise offenbar. Der Vorwurf, der Kanzler reise ohne Mandat des Westens, stimmte spätestens seit Venedig nicht mehr. Zwar hatte Schmidt keinen Verhandlungsauftrag, aber doch eine Marschrichtung mitbekommen.

Die Befürchtung der Opposition, die deutsche Delegation werde im Kreml knieweich auftreten, bewahrheitete sich ebenfalls nicht. Des Kanzlers Worte in der Höhle des Löwen ließen in bezug auf Afghanistan und die sowjetischen Mittelstreckenraketen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Daß Schmidt zudem auch noch die Andeutung einer - wenn auch interpre-tationsfähigen - Verhandlungsmöglichkeit über die Raketen mitbrachte, machte für die Unionsparteien die Sache noch vertrackter.

Wie sollte man hier innenpolitische Punkte sammeln, wenn man sachlich dem Kanzler nichts am Zeuge flicken konnte? Der war darüber hinaus nicht geneigt, dem politischen Gegner mit Vorabinformationen entgegenzukommen. Schmidt ließ nicht nur die Opposition, sondern auch die eigenen Regierungsparteien und sogar das Bundeskabinett uninformiert im Regen stehen.

Statt dessen schickte er den Außenminister unmittelbar nach der Rückkehr aus Moskau nach Paris und Washington, um die Verbündeten direkt über die Ergebnisse der Reise zu unterrichten. Erst vor dem Bundestag rückte der Kanzler mit Einzelheiten heraus.

Soviel staatsmännisches Gehabe mußte die Angriffslust der Opposition im Keim ersticken, um so mehr, als die Unionsstrategen natürlich genau wissen, daß diese Art des Auftretens bei der Bevölkerung ungeheuer gut ankommt. Schmidt nutzte dies weidlich aus - und Franz Josef Strauß ließ sich aufs dünne Eis locken.

Ohne daß er in der Lage gewesen wäre, dem Kanzler konkret einen Mißerfolg seiner Moskau-Reise nachzuweisen, verzettelte er sich in Rückblenden. Zwar stimmte vieles von dem, was er sagte, vor allem der durchgängige Hinweis darauf, daß die Politik des Kanzlers Helmut Schmidt noch lange nicht identisch sei mit den politischen Absichten seiner Partei. Doch in der aktuellen Situation wurde Schmidt haushoher Punktesieger.

Das läßt für den Unionswahlkampf nichts Gutes erwarten. Nachdem der Anfang des Jahres gestartete Versuch, Strauß als Staatsmann zu präsentieren, der viele Gemeinsamkeiten mit Schmidt habe, offensichtlich ein Fehlschlag war, setzt das Konzept jetzt andere Schwerpunkte.

Der Gegenspieler zum amtierenden Kanzler soll herausgestellt werden: Franz-Josef Strauß als Anti-Schmidt. Deshalb reagiert die Union derzeit so heftig auf die ihrer Meinung nach so unausgewogene Fernsehberichterstattung, die den staatsmännischen Aktionismus des Kanzlers ohne angemessene Konterkarierung durch den Kanzlerkandidaten lasse.

Doch nicht nur Skeptiker sind der Meinung, daß - wäre es anders - der Union damit nicht viel geholfen wäre.

Strauß hat sich in den Kopf gesetzt, Kanzler Schmidt auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik herauszufordern. Genau das aber ist nicht nur das Feld, auf dem sich Schmidt in seinem Element Fühlt, sondern auch der Bereich, in dem er in den Augen der Bevölkerung einen unschlagbaren Kompetenzvorsprung hat.

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