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S wie Silvia

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Ein Politiker, der auf den ausgefallenen Gedanken kommen sollte, die Abschaffung der Monarchie und die Einführung der Republik in Schweden zu verlangen, wäre heute politisch ein toter Mann, bevor noch das letzte diesbezügliche Wort über seine Lippen gekommen, oder bevor noch die Zeitung, die eine derartige Erklärung zu drucken wagte, einen Tag alt geworden wäre. Niemals zuvor in den letzten 65 Jahren hatten es die Anhänger der Republik in Schweden so schwer wie in diesen Frühsommertagen 1976.

Die, Forderung nach Einführung eines republikanischen Staatswesens wurde zuerst in einem im Jahre 1911 angenommenen Parteiprogramm der Sozialdemokraten erhoben. Auf die Frage, ob man diesen Programmpunkt zu verwirklichen gedenke, antworteten die Parteiführer Branting, Erlander und Palme, daß diese Frage von untergeordneter Bedeutung sei, daß man ihr keine Aktualität zumessen könne und man Wichtigeres zu tun habe, als dieses Thema in den Mittelpunkt eines Wahlkampfes zu stellen. Eine Änderung der Staatsform müßte von zwei aufeinanderfolgenden Reichstagen beschlossen werden.

Es gibt jedoch zur Zeit in Schweden keine Partei, in der sich eine Mehrheit der Abgeordneten für die Republik aussprechen würde, nicht einmal in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei wird sich eine Mehrheit für eine Änderung der Staatsform finden lassen. Per Albin Hans-son, der Leiter der großen Koalition während des Zweiten Weltkrieges, schlug deshalb auch vor, den Programmpunkt über die eventuelle Einführung der Republik überhaupt und ein für allemal zu streichen. Und Tage Erlander betonte wiederholt, daß es keinen sichereren Weg zu einer schweren Wahlniederlage gebe als die Forderung nach Abschaffung der Monarchie.

So kam es jetzt zu einem geradezu monarchistischen Rausch um die Vermählung des Königs Carl XVI. Gustaf mit dem inzwischen weltbekannt gewordenen Fräulein Silvia Sommerlath aus Deutschland, die am 19. Juni punkt 12 Uhr mittags in der Stor-kyrkan von Stockholm dem König das Jawort geben wird. Im Leben der direkt Betroffenen ein überaus bedeutsames Ereignis, für die Öffentlichkeit ebenso von Interesse, denn es ist eben keineswegs gleichgültig, wer die Gemahlin des „regierenden“ Monarchen ist, auch wenn dieser der meisten seiner Rechte und Privilegien beraubt ist. Man sollte die Stellung des Königs nicht unterschätzen: das Erbrecht ist ihm erhalten geblieben, ebenso der selbstverständliche Titel des Staatschefs; formell repräsentiert er immer noch Schweden nach außen, und er kann nicht angeklagt werden, weder als Staatschef noch als Privatmann.

Die monarchische Euphorie erreicht derzeit in den schwedischen Wochenzeitungen immer neue Höhepunkte. Das von einer Krone verzierte „S“ dominiert Seite um Seite: Silvia als Schülerin, Silvia als Baby, Silvia in der Einsamkeit weltverlorener Inseln, Silvia auf dem Landgut des Königs, Silvia bei ihrer Premiere als Lachsfischerin (bei der sie so geübte Lachsfischer wie Präsident Kekkonen von Finnland, aber auch Carl Gustaf überlegen schlug), Silvia und ihre erste große Liebe, Silvia in der Obhut der Königin-Mutter Ingrid von Dänemark...

Es gibt das königliche Brautpaar auf Porzellan und Textil, auf Erinnerungsmünzen und auf Briefmarken, und natürlich auf vielen vielen Großphotos, deren Verkauf ein blendendes Geschäft geworden ist. Man bekommt ausführlich geschildert, wie die ganze Skeppsbron in Stockholm mit einem grünen Grasteppich belegt werden wird, daß ein vierzig Meter langer blauer Teppich von der Straße der Finnlandboote hinauf zum Schloß führen wird, umsäumt von tausend blühenden gelben und blauen Sträuchern. Das Hochzeitsessen im „Vita Havet“ des Schlosses, zusammen mit Mitgliedern mehrerer regierender und nichtregierender Königshäuser der Welt, der Empfang im Stockholmer Stadthaus, die vom Reichstag und der Regierung arrangierte Festvorstellung in der Oper, die Gala-Fahrt durch die Stadt im 19. Juni —, alles das und noch viel mehr wird von 1200 bis 1500 Berichterstattern aus aller Welt geschildert und vom Fernsehen an schätzungsweise 400 Millionen Menschen weitergegeben werden. Die erste schwedische Königshochzeit seit dem Jahre 1797 wird auch die großartigste und spektakulärste werden.

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