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Schröpfen statt schöpfen?

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Als im Jahre 1962 eine Studie der Arbeiterkammer die Eigentumsverhältnisse an den österreichischen Kapitalgesellschaften untersuchte, war ihr ein typisch österreichisches Schicksal be- schieden. Experten unterschätzten die Problematik des Auslandskapitals offensichtlich, obwohl schon 1961 der ausländische Anteil bei den Gesellschaften m. b. H. mit 46,8 Prozent alarmierend hoch war. Bis 1968 aber ist dieser Anteil auf 57 Prozent angestiegen.

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Als im Jahre 1962 eine Studie der Arbeiterkammer die Eigentumsverhältnisse an den österreichischen Kapitalgesellschaften untersuchte, war ihr ein typisch österreichisches Schicksal be- schieden. Experten unterschätzten die Problematik des Auslandskapitals offensichtlich, obwohl schon 1961 der ausländische Anteil bei den Gesellschaften m. b. H. mit 46,8 Prozent alarmierend hoch war. Bis 1968 aber ist dieser Anteil auf 57 Prozent angestiegen.

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Nach Anbruch des „transparenten Zeitalters” und der starken Zunahme internationaler Kapitalverflechtungen in den letzten Jahren liefert nun die Studie „Auslandskapital in der österreichischen Wirtschaft” eine Bestandsaufnahme ausländischer Interessen in der österreichischen Wirtschaft. Ihre Resultate sind durchaus schockierend.

So beträgt etwa der Anteil ausländischer Nominalbeteiligungen bei Gesellschaften m. b. H. & Co KG

36,7 Prozent, bei Gesellschaften m. b. H. 57 Prozent. Von den 3570 Kapitalgesellschaften (AG, KG, Ges. m. b. H. & Co. KG, Ges. m. b. H.) sind denn auch 1427, das sind 40 Prozent, ausländisch beherrscht. Aber wie auf so vielen anderen Gebieten, wirkt Österreichs Wirtschaftspolitik eher „schröpfend” als schöpfend. Aktiver sind da schon die Investoren, wenn es zum Beispiel gilt, die mangelhafte Publizitätspflicht bei Gesellschaften m. b. H. auszunützen und die große rechtliche Bewegungsfreiheit zur Gewinnverschleierung und Gewinnverlagerung in Steueroasen zu mißbrauchen. Freilich sind nicht nur diese Mängel in det Gesetzgebung für Auslandsinvestoren maßgebend, sondern primär die niedrigen Arbeitskosten und der Zugang, den gerade Unternehmungen aus dem EWG-Raum über Österreich in die EFTA-Länder finden.

Waren noch 1962 die USA mit 27,9 Prozent aller ausländischen Nominalbeteiligungen dominierend (Ölgeschäft und Magnesitindustrie), so hatte bereits 1967 die Bundesrepublik mit 25,1 Prozent (1961: 9,5 Prozent!) die erste Stelle eingenommen, wobei ihre Investitionen besonders auf die Elektroindustrie, die chemische Industrie, Textil- und Bekleidungsindustrie, Metallverarbeitung und Einzelhandel konzentriert sind. Fast ist man geneigt, der Schweiz (1961 13,7 Prozent, 1967 hingegen

15,7 Prozent), Italien und den Bene- luxländem mangelndes Geschäftsinteresse zu unterschieben, da diese Investorenländer nur geringfügige Zuwachsraten zu verzeichnen haben. Eine Untersuchung der einzelnen Wirtschaftszweige jedoch wirkt eher deprimierend. Fast alle Wirtschaftsbereiche sind durchsetzt mit ausländischem Kapital, das Versicherungswesen (1967 immerhin 58 Prozent der gesamten Främienleistungen) ebenso wie das Versandgeschäft, das Verlagswesen und der Fremdenverkehr, der als spezifisch österreichische Domäne erscheinen sollte.

Die Arbeiterkammer hat erstmals auch die in ausländisch beherrschten Betrieben tätigen österreichischen Beschäftigten erfaßt: 111.000, das ist rund ein Sechstel der gesamten Industriebeschäftigten. In der Elektroindustrie sind es mehr als 60 Prozent der Gesamtbescbäftigten, in der Papierindustrie 29 Prozent und der chemischen Industrie 24 Prozent. Zweifellos sind die wirtschaftlichen Folgen ausländischer Investitionen von größter Bedeutung und haben positive Auswirkungen, etwa die Gründung wirtschaftlicher Zentren in Entwicklungsgebieten, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Einführung neuer Produkte und Verfahren und die damit verbundene Produktivitätssteigerung, die Übertragung von technischer Erfahrung und Managementmethoden. Das Ziel einer vernünftigen Wirtschaftspolitik ist es ja nicht, ausländisches Kapital rigoros abzulehnen. Aber auch nicht, vorbehaltlos jedes Eindringen ausländischer Investitionen hinaunehmen.

N achzügleref f ekt

Denn gravierende ökonomische Ge- fahirenmomente gibt es in diesem Fall zur Genüge: Da die meisten Konzerne, um ein Beispiel zu nennen, einfache Fertigungen mit geringem Schwierigkeitsgrad in ein weniger entwickeltes Land transferieren, einen Großteil der Manaige- mentfunktionen und die hochqualifizierten Arbeiten sowie die damit verbundene Forscbungstätigkeit aber im Stammland verbleiben, wird das kapitalempfangende Land mit der Zeit zum ewigen Nachzügler. Eine andere, negative Erscheinung ist die in vielen Bereichen der Wirtschaft auftretende Monopolisierung, sei es nun in der Waschmittel- oder Nahrungsmittelindustrie.

So gelten denn auch Empfehlungen der Arbeiterkammer in erster Linie der Erstellung gezielter Abwehrmaßnahmen gegen steigende Aus- landsinvestitionen zur Sicherung österreichischen Eigentums, vor allem bei den Massenmedien, bei Energie und Verkehrswesen, in der Kreditwirtschaft, der Grundstoffindustrie und den Schlüsselindustrien, wo eine inländische Kontrolle eine unabhängige Entwicklung garantieren soll. Langfristige Industriefinanzierungen, die Errichtung von Forschungsstätten in Österreich und die Schließung der Gesetzeslücken durch Ausbau der Puiblizitäts- pflicht für AG, eine größere Transparenz in der Rechnungslegung und ein obligatorischer Aufsichtsrat ab einer gewissen Mindestgröße bei Gesellschaften m. b. H. könnten dazu dienen.

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