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Stotternder Umgang mit Presse, Funk und TV

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Ungarns Medienkrieger sind des unseligen Streites über die Abberufung zweier Intendanten müde geworden. Regierungschef Jözsef Anfall, der die Untersuchung gegen sie beantragt hat, ist jedoch nicht aus jenem Holze, daß er Niederlagen erdulden könnte.

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Ungarns Medienkrieger sind des unseligen Streites über die Abberufung zweier Intendanten müde geworden. Regierungschef Jözsef Anfall, der die Untersuchung gegen sie beantragt hat, ist jedoch nicht aus jenem Holze, daß er Niederlagen erdulden könnte.

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Neulich mußte sogar auch noch Staatspräsident Ärpäd Göncz vor dem Ver-fassungsgericht erscheinen. Bei der Affäre wird die Größe der Kinderschuhe, die die ungarische Demokratie trägt, wieder einmal sichtbar. Angefangen hat es mit der Überempfindlichkeit Jözsef Antalls jedweder Kritik gegenüber. Seine Mannen im Regierungslager zogen dann freilich gehorsam mit. Es hat fast anderthalb Jahre gebraucht, um zu begreifen, daß es reine Zeitvergeudung ist, mit der Presse stotternd und dazu auch noch in sauertöpferischer Gereiztheit zu streiten. Immerhin Zeit genug, um einen Teil der Glaubwürdigkeit vor der Öffentlichkeit so sehr zu verspielen, daß sie die gegen die Intendanten von Funk und Fernsehen eingeleiteten Untersuchungen von vornherein skeptisch aufnahm.

Mit gutem Grund, denn zu Anfang des Verfahrens waren manche Politiker unklug genug zu erklären, es gehe ja auch noch um die negative Berichterstattung über die Tätigkeit der Regierung. Das war für erbarmungslose Demokra-tieneophyten der längst erwartete Anlaß, „die westliche Öffentlichkeit zu alarmieren". Man versuchte über wohlfunktionierende Kanäle vor allem das gesunde moralische Empfinden Amerikas zu alarmieren. Schließlich ging es auch um die Finanzen der Gesinnungsfreunde bei Funk und Fernsehen. Die Parole, die Pressefreiheit sei gefährdet, zog auch diesmal, den Christlich-Nationalen blieb nichts anderes übrig als der klägliche Rechtfertigungsversuch.

Die Polemik hat immerhin gewirkt - der Rest findet kein besonderes Interesse mehr. Dabei geht es darum, daß das Fehlen des Mediengesetzes -dessen Vorlage die Regierung in ihrer zweijährigen Amtszeit nicht auszuarbeiten fähig war - eine Gesetzeslücke schafft, die bei beiden Medien ein im Grunde unkontrolliertes Treiben mit den Geldern des Steuerzahlers ermöglicht, das jederzeit mit der persönlichen Autorität des jeweiligen Intendanten gedeckt beziehungsweise legalisiert werden kann.

Da in Ungarn der Beamtenstand unbekannt ist, werden die Intendanten mit einem praktisch uneingeschränkten Befugnisbereich vom Staatspräsidenten ernannt; sie sind ihm jedoch nicht unterstellt.

Der Parlamentsausschuß für kulturelle Angelegenheiten hat lediglich das Recht, sie der recht dubios klingenden Tauglichkeitsprüfung zu unterziehen und dem Staatsoberhaupt ihre Abberufung zu empfehlen. Vorausgesetzt, sie ist imstande, ohne die entsprechenden Rechtsnormen Beweismaterial für Veruntreuungen beziehungsweise unvorschriftsmäßige Amtsführung zu finden. Doch gerade dies gleicht der Quadratur des Kreises, zumal bei beiden Medien nach wie vor die noch von den Kommunisten geschaffenen unübersichtlichen Strukturen fortgedeihen, die schon immer Brutstätten der schamlosen Korruption und Vetternwirtschaft waren.

Unter dem Motto „Erlaubt ist alles, was nicht verboten ist!" kann in den zwei „geschlossenen Welten" vieles mit „Diskretion und Verständnis für persönliche Schwierigkeiten der Mitarbeiter" gehandhabt werden. Qualität der Sendungen und das Geld des Steuerzahlers, wovon Dutzende lispelnde Ansager und Scharen anderer Berufsanalphabeten, die nicht einmal der Schriftsprache fähig sind, finanziert werden, spielen freilich auch diesmal keine Rolle, schließlich „befindet man sich im Umbruch". Seit zwei Jahren.

So konnte der Kulturausschuß neulich auch nur Vermutungen äußern und empfahl die Ablösung des Rundfunkintendanten erst dann, als der Altkommunist zehn Minuten nach Beginn des Hearings ihm lachend den Rücken gekehrt hatte. Staatspräsident Ärpäd

Göncz war jedoch nicht bereit, ohne Gesetze zu handeln. Er lehnte die Unterzeichnung der Abberufungsurkunde mit der Begründung ab, eine Prüfung der Angelegenheit komme für ihn erst nach der Verabschiedung des Mediengesetzes in Frage.

Anstatt davon zu sprechen, warum die Ausarbeitung dieser Vorlage stets versäumt worden ist, zerrten ihn die Koalitionstreuen vor den Kadi. Doch das Verfassungsgerichtresignierte; es könne lediglich festgestellt werden, daß die aus dem Jahre 1974 stammende Verordnung, wonach Funk und Fernsehen der Regierung unterstünden, nicht konstitutionskonform sei, doch ob Göncz seine Amtsbefugnisse überschritten habe, sei nicht sicher. Unterdessen hat der Kulturausschuß das Handtuch geworfen. Auch die Tauglichkeitsprüfung des TV-Intendanten Elemer Hankiss verlief ergebnislos. Nachdem der Medienchef das Gremium in einem endlosen Vortrag über die Pressefreiheit belehrt hatte, flog er sofort nach Amerika zurück, wo er an der Standford Universität seit seiner Ernennung zum Intendanten als Gastprofessor tätig ist.

Nun will sich jeder bestätigt fühlen; Antall und seine Mannen würdigen zähneknirschend das Verfassungsgericht, Staatspräsident Göncz sowie das andere Lager haben für das Gremium auch die schönsten Worte und das Geschäft geht auch weiter. Ungestört von der Demokratie.

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