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Um die Absolutheit des Christentums

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Rund 130 katholische Dogmatiker und Fundamentaltheologen aus der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, der Schweiz, der DDR und Polen trafen einander im Jänner in Salzburg zu einer Arbeitstagung. Im Mittelpunkt der Diskussionen dieser Arbeitsgemeinschaft stand in den letzten Jahren die Christologie, 1969 ihre Frühgeschichte, 1972 das Thema „Erlösung und Emanzipation”, 1975 die Grundfragen der Christologie heute. Mit dem Thema „Absolutheit des Christentums” wurde nun diese chri- stologische Thematik weitergeführt. Denn die Absolutheit des Christentums ist letztlich in der Absolutheit, besser im eschatologischen Charakter des Christusereignisses begründet

Mit dem diesjährigen Thema wurde aber auch die Problematik erweitert. Bei aller Christozentrik kann und darf es - zumindest in einer katholischen Theologie - keine Engführung geben. Heute zumal kann die Christologie nur in einer universalen Perspektive entfaltet werden. Gerade die absolute Bedeutung, die der christliche Glaube Jesus Christus zuerkennt, verlangt, daß man diesen Glauben angesichts der Wirklichkeitserfahrung insgesamt verantwortet, in Analogie zur natürlichen Erkenntnis (Vatikanum I), in Entsprechung zu den „Zeichen der Zeit” (Vatikanum II).

Es ging bei diesem Thema um die universale und endgültige Bedeutung Jesu Christi im Kontext unserer gegenwärtigen Situation. „Absolutheit des Christentums” - also eine nur auf den ersten Blick abstrakte und spekulative Fragestellung, deren praktische Relevanz jedoch sofort einleuchtet, wenn man sie auf den Hintergrund des heutigen religiösen und weltanschaulichen Pluralismus betrachtet, der nicht zuletzt durch die Erklärung des II. Vatikanischen Konzils „Uber die Religionsfreiheit” anerkannt wurde.

Die „Absolutheit des Christentums” erscheint heute nicht nur durch die aufklärerische Religionskritik, sondern auch durch die faktische Konfrontation mit den nichtchristlichen Religionen weitgehend in Frage’gestellt. Grund genug also, die Bedeutung dieser mißverständlichen, in ihrer Substanz jedoch unaufgebbaren Formel theologisch neu durchzudenken.

Dem Anspruch des Christentums, die einzig wahre, endgültige und in diesem Sinne „absolute” Religion zu sein, ist immer wieder widersprochen worden. In der Tat meint der Angriff „Absolutheit des Christentums” nicht mehr und nicht weniger als die uneingeschränkte, unbedingte und exklusive Bedeutung der christlichen Botschaft als der Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus für alle Zeiten. Die katholische Theologie behandelt dieses Thema gewöhnlich unter sehr verschiedenen Problemfeldern wie Vernunft und Glaube, Dogma und Geschichte, Heilspartikularismus und Heilsuniversalismus, außerordentlicher und ordentlicher Heilsweg, Heil für die Nichtchristen, Theologie der nichtchristlichen Religionen, Urof- fenbarung usw.

Hinzu kam in letzter Zeit das Problem der Religionsfreiheit, die nicht ganz zufällig im Zusammenhang mit dem Fall Lefebvre erneut an Aktualität gewonnen hat. Wie Prof. Karl Lehmann aus Freiburg betonte, stehen hinter dem Problem der „Absolutheit des Christentums”, das in seiner modernen zugespitzten Form den Traditionen des deutschen Idealismus und der evangelischen Theologie der letzten 200 Jahre entstammt, die schwierigen Fragen des Verhältnisses zwischen Christentum und Moderne. Die neuere katholische Theologie habe sich zwar in Ansätzen diesen Fragen gestellt, doch gebrauche sie das Stichwort „Absolutheit des Christentums” meistens in einer völlig ungeschichtlichen Weise, die von dieser geistesgeschichtlichen Situation abstrahiert.

Der Begriff „Absolutheit” dürfte aber nicht dazu verführen, das Christliche als eine Wirklichkeit zu beschreiben, die ohne das andere, rein in sich und für sich bestehen kann, sagte Prof. Lehmann. Das gelte insbesondere für das Verhältnis des Christentums zu den nichtchristlichen Religionen, weswegen es auch falsch sei, seine einzigartige und absolute Stellung innerhalb der Religionsgeschichte mittels der Kategorie des „Ubergeschichtlichen” begründen zu wollen.

In genau dieselbe Richtung gingen auch die Ausführungen des protestantischen Theologen und Missionswissenschafters Prof. H. Bürkle aus München: Dasjenige, was das Christentum angesichts der anderen Religionen anzumelden habe, sei kein Absolutum. Dieses gerade wäre das Mißverständnis einer geschichtsfernen „Splendid isolation”. Wer das Christentum absolut verstehen möchte, der verkenne, daß es seine prinzipielle Universalität zu allen Zeiten in beziehungs vollen geschichtlichen Prozessen in jeweils partieller Weise verwirklichen mußte. Seine gegenwärtige Gestalt sozusagen „für sich” zu nehmen, also „absolut” zu verstehen; wäre bereits „die mißverstandene Absolutheit”. Der Weg in Richtung einer sich ständig erweiternden Universalität führe daher nicht über die dogmatische Absolutsetzung bestimmter institutionell verfestigter Formen und Strukturen, sondern über die schrittweise Grenzüberschreitung eben dieser historischen Formen.

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