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Umverteilung auf steirisch

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Der Streit um die Honorare der Privatpatienten in der Steiermark beweist das allgemeine Finanzierungschaos der Spitäler. Der Ärztestreik sollte Ausgangspunkt für eine Grundsatzdebatte sein.

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Der Streit um die Honorare der Privatpatienten in der Steiermark beweist das allgemeine Finanzierungschaos der Spitäler. Der Ärztestreik sollte Ausgangspunkt für eine Grundsatzdebatte sein.

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Zehn Tage dauerte der sogenannte „Administrativstreik“ der steirischen Spitalsärzte gegen eine am 1. Juli in Kraft gesetzte Verordnung der Landesregierung, mit deren Hilfe die Einkünfte der Primarärzte aus den „Sondergebühren“ einer „stufenweisen Degression“ unterworfen werden.

Im Klartext: Auf dem Verordnungsweg werden primarärztli- che Zusatzeinkommen von bis zu einer Million Schilling monatlich zugunsten der ärztlichen Mitarbeiter, vor allem aber auch zugunsten des Spitalserhalters Land Steiermark „umverteilt“.

Was der steirische und österreichische Ärztekammerpräsident

Richard Piaty als „kalten Enteignungsakt“ qualifizierte, fand in der — nicht nur steirischen — Öffentlichkeit Beifall.

Nun: Nach dem Aussetzen des Verwaltungsboykotts am 8. Juli durch die steirische Ärztekammer treffen sich die Streitpartner noch diese Woche wieder am Verhandlungstisch. Ein Verhandlungsergebnis, das beide Seiten befriedigt, ist dennoch nicht zu erwarten. Zu verschieden sind die jeweiligen Standpunkte.

Nach Meinung der Ärzte handelt es sich bei den Sondergebühren ausschließlich um Privathonorare, die Privatversicherte oder Sozialversicherte, die sich zusätzlich eine private Krankenversicherung leisten, für die persönliche Betreuung durch Ärzte ihres Vertrauens und für eine bessere Unterbringung im Krankenhaus entrichten.

Der Spitalserhalter, in diesem Fall das Land Steiermark, steht im Gegensatz dazu auf dem Standpunkt, daß Sonderklassepatienten in Räumen, an medizinischen Geräten und während der Dienstzeit der beim Land ange- stellten Primarii versorgt werden. Daraus leitet man den Anspruch auf einen Teil der Sondergebühren ab.

Schon bisher kassierte das Land Steiermark zwischen 45 und 62 Prozent der Sondergebühren als Ersatz für den Mehraufwand bei der Behandlung von Privatpatienten in öffentlichen Spitälern. Vor allem zu Lasten der Spitzenverdiener unter den steirischen Spitalsärzten will die öffentliche Hand ihren Anteil am Sonderge- bühren-Kuchen erhöhen: nicht zuletzt aus Gründen der politischmoralischen Optik, aber auch unter der Last drückender Spitalsdefizite.

Die ärztliche Standesvertretung wehrt sich nicht gegen die Kappung überhöhter Zusatzverdienste. Den Mehraufwand, den Privatpatienten verursachen, glauben die Ärzte aber schon mit der derzeitigen Regelung abgegolten. Anstelle einer weiteren Umschichtung der „Privathonorare“ zugunsten der öffentlichen Kassen wollen die Ärzte die abgeschöpften Spitzenhonorare intern auf alle ärztlichen Mitarbeiter umverteilen — ohne Beteiligung des Landes.

Die ganze Misere im Streit um die Sondergebühren- zwischen den Spitalserhaltern und den Ärzten ist aber kein steirisches Problem allein.

In allen Bundesländern verlangen die Spitalserhalter Anteile am Privathonorar der Ärzte für den erhöhten Sach- und Personalaufwand bei Klassepatienten.

Spitzenreiter sind neben der Steiermark Salzburg und Oberösterreich mit je zwanzig Prozent Anteil am ärztlichen Honorar - gleichzeitig werden in diesen Bundesländern die Zusatzeinkommen limitiert. In Kärnten wird überhaupt das Zubrot für Abteilungsleiter und Primarii mit 100.000 Schilling monatlich begrenzt.

Einheitlichkeit besteht — was die Sonderklassepatienten anlangt — nur im Anteil der Betten für Privatpatienten an der Gesamtbettenzahl. Klassebetten dürfen maximal ein Viertel der vorhandenen Spitalsbetten sein.

Und weil das tatsächliche Einkommen eines ärztlichen Leiters einer Station hauptsächlich von seinen Privatpatienten abhängt, sind viele Primarii nur allzu gern bereit, Uberbelag in der allgemeinen Gebührenklasse nachzuweisen, um dadurch auch zu einer Kapazitätsausweitung bei den Sonderklassebetten zu kommen.

Im Krankenanstaltengesetz ist darüber hinaus festgeschrieben, daß zwischen allgemeiner und Sonderklasse der Unterschied lediglich in der Ausstattung der Zimmer liegen darf. Somit zahlen die Privatpatienten über kurz oder lang in einem immer höheren Ausmaß auch die Defizite der öffentlichen Spitäler mit. Ohne bis heute genau zu wissen, wieviel sie dem Spitalserhalter über den allgemeinen Verpflegesatz hinaus kosten.

Einen Ausweg aus der Misere sehen Experten nur in einem „kapazitätsneutralen“ Honorarsystem für Spitalsärzte.

Konkret: Das Einkommen der Primarärzte muß unabhängig von der Anzahl ihrer Sonderklassepatienten sein.

Sohin muß in erster Linie einer leistungsgerechten Entlohnung der Primarärzte über das normale Beamtengehaltsschema hinaus das Wort geredet werden, um einmal allen Geplänkeln rund um die Verteilung der privaten Sonderhonorare in öffentlichen Spitälern ein Ende zu setzen.

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