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Ungarns Amerika-Illusion

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DenUngamfälltesnichtleicht, mit einer alten Illusion auf-zuräimien. Seitdem die Vereinigten Staaten die Unterzeichnung des fürs Land so verheerenden Friedensvertrages von Trianon im Jahre 1920 ablehnten, will man hierzulande in jedemBedrängnis geradezu krampfhaft daran glauben, „daß uns Amerika schon helfen wird“. D ie negativen Erfahrungen von 1945 und 1956

scheinen bedeutungslos zu sein. Die USA als Retter in der gegenwärtigen wirtschaftUchenNot-dasist das Wunschbild, das gerade von den Ref ormkommimisten am sehnsüchtigsten gehegt wird. Je weniger sie da von Westeuropa erwarten können - nexihch hat ihnen die Bonner Btmdesregierung eine eindeutige Abfuhr erteilt \miso fester wird an Washington geglaubt. Als gäbe es irgendwelche konkreten Zusagen aus dem Weißen Haus. Dabei gibt es n\ir einige Anhaltspxmkte auf der einen und eine bedauernswerte Fehleinschätzung auf der anderen Seite.

Denn es trifft freüich zu, daß sowohl die Reagan- als auch die B\ish-Administrationmehrere Male auch ermuntert haben, und es ist auch wahr, daß die menschenwürdige Beerdigung Imre Nagys und der anderen Märtyrer der Revolution von 1956 überhaupt zu den Grundvoraussetzimgen des sinnvollen Dialogs zwischen dem Weißen Haus wad Budapest gehörte, doch es war weder von einem zweiten Marshall-Plan noch von irgendwelchen Sonderkrediten die Rede.

Die Ungarn haben sich von den lobenden Worten aus Washington so sehr berauschen lassen, daß sie dabei ihr Gehör für die Mahnrufe verloren haben. So hat man es bis heute unterlassen - der Bush-Besuch steht ja vor derTürl -ein Team mit der Axifgabe atifzusteUen, das Phänomen der amerikanischen Po-Utik ständig zu analysieren. So konnte es auch kommen, daß die jüngste Weigenmg des Kongresses, Ungarn die Meistbegünstigungsklausel für fünf Jahre zu gewähren, wie eine Bombe in Budapest einschlug und für eine Sprachlosigkeit ohnegleichen sorgte.

Erst einen halben Tag später beriefen sich die Massenmedien auf einen „anonymenInformanten“ aus dem Weißen Haus, der wissen wollte, daß die Entscheidung nicht end-giiltig sei. Es war sicherlich der gleiche Informant, der vor zwei Wochen noch einen positiven Kongreßabschluß voraussagte. Dabei keimt man in Budapest nicht einmal die Zusammensetzimg des Kongresses in dem Sinne, daß man da den Einfluß der einzelnen Gruppen xmd Abgeordneten sachlich einschätzen könnte.

Die Regierung an der Donau hat immer noch nicht begriffen, daß dem Weißen Haxis wohl zutreffende Daten xmd Fakten darüber zur Verfügung stehen, wie es in Ungarn in Wirklichkeit zugeht. Da weiß man nämlich trotz der von uns Europäern so gern belächelten amerikanischen Naivität zu genau, daß die hochgepriesenen ungarischen Wirtschaftsreformen keinen müden

Krexizer wert sein werden, solange hier Hxmderttausende Arbeitskräfte nutzlos beschäftigende Strxiktu-ren mit ihren xmf ähigen Führxmgs-parasiten axif den mittleren xmd unteren Ebenen der Wirtschaft xmangetastet bleiben. Und man ist sich dessen auch bewxißt, daß frei-hch Massenentlassxmgen notwendig wären vmd daß keine qxialifizierten Kräfte für eine effektive Nexigestal-tung zur Verfügung stehen. Und noch etwas, xmd vielleicht das Wichtigste: Washington weiß, daß zwischen der erklärten Absicht, die notwendigen Schritte zu unternehmen xmd der Realisierxmg eine tiefe Kluft klafft. Es bleiben also die frommen Intentionen xmd freilich auch das Versprechen. Doch dafür-bei aller amerikanischen Naivität -gibt es kein Geld mehr.

Washington schert sich nicht um Amerika-nixisionen, das müßten die Ungarn endlich einmal lernen. Eine ernüchternde Chance werden sie dafür beim Bxish-Besuch erhalten.

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