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Unsere Zukunft - Bedrohung oder Chance?

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Alljährlich zum Jahreswechsel befällt viele Zeitgenossen ein ungutes, kaum zu definierendes Gefühl. Bei genauerem Hinsehen hat dieses Gefühl unzweifelhaft etwas mit Angst zu tun, nämlich mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Angst vor der Zukunft, vor dem, was das neue Jahr bringen wird.

Trotz aller berauschenden Erfolge unserer Zivilisation -oder waren es vielleicht nur „Scheinerfolge“? - fürchten wir uns alle vor der Zukunft. In der Regel hat bereits jeder von uns subtile Methoden der Angstverdrängung entwickelt, aber irgendwie bleibt doch ein Gefühl des Ausgeliefert-Seins, der Bedrohtheit durch Neues und Unbekanntes hängen.

Ist jedoch diese unsere Zukunft wirklich nur etwas Bedrohendes, Ängstigendes? Ein kurzer Blick in die Realität dieser Welt' und dieses Jahrhunderts scheint obigen Eindruck zu bestätigen. Kein Jahr vergeht, ohne daß nicht irgendwo ein neuer Krieg ausbricht - bevor noch die alten Konflikte beigelegt sind; kein Jahr ohne Erfindung neuer und immer furchtbarerer Waffen; kein Jahr ohne neue Krankheiten, Wirtschaftskrisen und Katastrophen, denen wir uns hilflos ausgeliefert fühlen.

Und die alten Probleme -

wie z. B. die der Dritten Welt, des Hungers in vielen Teilen der Erde? Die sind bei weitem noch nicht gelöst! Von Jahr zu Jahr verdichtet sich dieses Angstgefühl, da sich nichts zum Besseren zu wenden scheint.

Und doch - ist Angst, Bedrohung das einzige, das unser Bild von der Zukunft prägt? Sind auch wir Christen dazu verurteilt, auf der sattsam bekannten Welle der Resignation und Betäubung mitzuschwimmen? Haben wir Christen dem nichts, aber schon gar nichts entgegenzusetzen? Ist nicht vielmehr -noch vor jeder legitimen Angst vor dem Unbekannten, das auf uns zukommt -jedes neue Jahr eine von Gott

geschenkte Zeit und als solche eine Chance?

Wir Christen müßten uns immer mehr bewußt werden, daß unsere Zukunft eine -letztlich unerwartete und unverdiente - Chance ist: zum Neubeginn, zur Bewährung, zum Ernstnehmen dessen und zur Neubesinnung auf das, was Mensch und Christ sein heute bedeutet.

Insofern ist die Zukunft dann keine Bedrohung mehr, sondern sie ermöglicht uns einen neuen Anfang auf dem Hintergrund unserer Vergangenheit -ja, nur weil uns eine Zukunft von Gott her zugesprochen ist, die befreiend und eröffnend wirkt, können wir Vergangenheit bewältigen!

Aber müßten wir nicht gerade deshalb resignieren, weil die Zukunft so hohe Anforderungen an uns stellt? Sind wir nicht gerade deshalb ängstlich und entmutigt, weil wir so viel zu „verbessern“ hätten? Als Christen können wir das neue Jahr mit der Gewißheit beginnen, daß Gott, der uns die Zukunft als Chance eröffnet, auch unser fragmentarisches, oft hilfloses, ohnmächtiges Bemühen begleiten und vollenden wird.

Deshalb können wir darauf vertrauen, daß wir der Zukunft nicht hilflos ausgeliefert sind - wir sollen sie ja mitgestalten! - und daß unser Einsatz für eine friedlichere, gerechtere, humanere,

letztlich christlichere Welt einen (wenn auch oft nicht spektakulären) Erfolg haben wird.

An ermutigenden Beispielen aus der jüngsten Zeit fehlt es nicht, so z.- B. die immer stärker werdende Sehnsucht nach einem einfacheren Leben, die Wiederentdeckung christlicher Werte, die vielfältigen Bemühungen um Gerechtigkeit und Frieden usw.

Auch das Leben einer Mutter Teresa, eines Roger Schutz und eines Johannes Paul I. und II. zeigen, welch ungeahnte Wirkungen eine einzelne Person entfalten kann, wenn sie vor der Zukunft nicht zu flüchten versucht und diese nicht als Bedrohung empfindet, sondern als Chance für sich selbst, für uns und für die ganze Menschheit.

An uns liegt es also, die Zukunft als Chance anzunehmen und wahrzunehmen, um mit Gottes Hilfe das Beste aus ihr zu machen. Zu Pessimismus und Resignation haben wir keinen Grund; denn auch für uns und für heute gilt die Verheißung Jesu am Ende des Matthäus-Evangeliums: „Und ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.“

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