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Wem gehört die Zukunft?

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Man spricht heute von der Machbarkeit der Zukunft Sie ist auch ein wenig „machbarer” als früher geworden, und sie muß vor allem geplant werden. In keinem Bereich geht es mehr ohne Planung, nicht in der Wirtschaft und Politik, nicht in der Wissenschaft und nicht in der Kirche. Manches ist auch berechenbar geworden, vom Budgetloch bis zum Wetter - wiewohl man sich täuschen kann.

Doch durch die Machbarkeit ist unsere Zukunft nicht sicherer geworden, ja sogar erneut bedroht Denn die Zukunft kann nur gemeinsam „gemacht” werden. Der Mensch aber ist dem Menschen unheimlich als Partner seiner Zukunft. Er mutmaßt wohl oft mit Recht daß sie der andere auf seine Kosten an sich reißen möchte. Wem gehört sie?

Die Zukunft gehört den Progressiven, die nicht untätig warten, bis sie anbricht, sondern ihr entgegengehen, sie gut und günstig gestalten wollen. Das meint „progressiv” eigentlich. Eine solche Haltung ist eine Absage an einen faulen Konservativismus, der glaubt, man brauche nur immer dasselbe zu tun auf der Welt, dann könne schon nichts passieren; man brauche sich nichts Neues einfallen zu lassen, sondern nur immer wieder zu tun, was sich früher bewährt hat; die Prinzipien seien längst gefunden, nach denen diese Welt geordnet werden kann - Fleiß, Pünktlichkeit und Selbstbeherrschung genügten zur Sicherung der Zukunft; man könne die Zukunft von Gesellschaft und Kirche auf eine Vollstreckung der Vergangenheit reduzieren. Es gebe doch „nichts Neues unter der Sonne”, und es brauche auch nichts Neues zu geben. - Doch die Wirklichkeit ist anders. Es gibt eine Zukunft, die mehr ist als eine Fortsetzung der Vergangenheit. Die Welt von heute ist nicht mehr die Welt von gestern, daher braucht es neue Wege, neue Formen, eine neue Sprache, das Schöpferische und die Phantasie.

Die Zukunft gehört den Konservativen, die wahrhaft konservativ sind. Man kann nicht Zukunft ohne Rücksicht auf Vergangenheit und Geschichte machen. Manche scheinen zu glauben, daß die Zerstörung alles geschichtlich Gewordenen die beste Voraussetzung für eine bessere Zukunft sei. Wer die Zukunft bejahen will, muß auch seine Geschichte bejahen und sich vom Groll auf das Gewordene lösen, vom Groll auf die Voraussetzungen und Institutionen. Es ist ein naiver und unrealistischer Progressismus, zu glauben, daß man die Zukunft vom Nullpunkt her aufbauen könne. Man muß denen dankbar sein, die die Werte der Vergangenheit kennen und bewahren, denn diese sind immer auch Bausteine der Zukunft

Die Zukunft gehört den Solidarischen, denn sie ist unteübar geworden. Die großen Themen der Menschheit lassen sich nur gemeinsam behandeln, die großen Werte nur gemeinsam verwirklichen. Friede kann nur Friede für alle sein, Freiheit muß Freiheit für alle sein. Gerechtigkeit ist unteübar, sie muß allen gerecht werden. Selbst der Wohlstand ist im Grunde unteübar. Es gibt nur Zukunft, wenn sie Zukunft für alle Menschen ist. Spätestens seit wir auf unseren Büdschirmen die Welt vom Mond aus gesehen haben, müßten wir begriffen haben, daß diese Welt eine ist und Solidarität eine Grundfrage für die Zukunft aller Menschen.

Die Zukunft gehört den Glaubenden. Das sind jene, die sich vertrauend auf die Zukunft einlassen, weü sie überzeugt sind, daß ihre Sache nur gut ausgehen kann, ja, nicht nur ihre eigene Sache, sondern die Sache der ganzen Welt. Gläubig sind jene, die davon überzeugt sind, daß sich das Rätsel unseres Lebens im Guten lösen wird. Am Ende wird Friede sein, Vergebung und Versöhnung, Gemein schaft und nicht Einsamkeit Leben und nicht Tod. Gläubig sind jene, die sich durch keine Katastrophenmeldung beirren lassen und keinem Unglückspropheten trauen, die dieser Welt immer noch eine Chance geben. Sie unterscheiden sich von oberflächlichen Optimisten dadurch, daß sie einen Grund für ihre Haltung angeben können: Unsere Sache geht gut aus, weü sie gar nicht unsere Sache allein ist, sondern weü sie Gott zu seiner gemacht hat Die Welt als solche hat wohl tatsächlich keine Zukunft, und für jeden einzelnen geht sie in der Stande seines Todes unter. Doch für den Glaubenden ist das der Beginn einer neuen, besseren Welt Freüich auch einer Welt, die im Grunde schon begonnen hat, und eines Lebens, das schon lebt Die Zukunft gehört also dem, dem sie schon zur Gegenwart geworden ist.

(Die einzelnen Folgen des ORF-Studienpro- gramms „Wem glauben” werden jeweils am Donnerstag um 19 Uhr im Programm 01 gesendet und am selben Tag um 22.25 Uhr in O R sowie am folgenden Montag um 15.05 Uhr in O R wiederholt.)

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