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Der Wahrheit näher

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2. Gespräch um die Zukunft: Die Zukunft ist nicht etwas, das irgendwann einmal später kommt, die Zukunft ist immer da, mit jedem Tag, mit jeder Stunde hat sie begonnen. Sie bleibt nicht stehen! Wartet nicht auf Zukunft, sonst wartet ihr vergebens! Zukunft heißt Entscheidung, nicht einmal, sondern immer wieder. Glaubt nicht, daß man sich nur einmal zu entscheiden braucht, dann laufe alles von selber seinen Weg. Alles Große im Leben, auch die Ehe, fordert eine täglich neue Entscheidung. Zukunft heißt auch, immer wieder neu beginnen, immer wieder aufstehen, auch nach jedem Fall. Nicht auf das Fallen kommt es an im Leben, wir alle straucheln, sondern darauf, daß man immer wieder aufsteht. Gespräch um die Zukunft: Das mitmenschliche Gespräch ist ein grundlegender Ausdruck menschlicher' Gemeinschaft. Redet miteinander, nicht nur über eure Sorgen, sondern auch über eure Träume. Redet über unsere Zukunft! Reden wir miteinander, nicht gegeneinander oder nebeneinander. Auch das Streitgespräch ist ein echtes Gespräch miteinander. Nur in Rede und Widerrede können wir der Wahrheit näherkommen.

Zum Gespräch gehört nicht nur das Reden, sondern auch das Zuhören, das Aufnehmen, das Eingehen, das Ernstnehmen, sonst bleiben unsere Gespräche nur gegenseitige Monologe. Suchen wir das redliche, das schlichte Gespräch. Zitate allein, ob aus Marx oder aus Konzilstexten, können das eigene Denken, die eigenen Argumente nicht ersetzen. Hüten wir uns vor der Phrase, dem schönen klingenden Wort allein. Machen wir nicht die höchsten Dinge zur Scheidemünze des Alltags und seien wir uns bewußt, daß schwerer als das schönste Wort die kleinste Tat wiegt.

Der Weg zur Welt

3. Österreichs Aufgaben in der Welt. Wir sind nicht allein. Unser Friede, unsere Zukunft wird immer auch der Friede, die Zukunft unserer Mitmenschen und unserer Nachbarn sein. Jedes Volk hat seine spezifische Aufgabe, die ein anderer ihm nicht abnehmen kann. Bevor aber ein Volk seine Aufgabe erfüllen kann, muß es sich als eine Gemeinschaft erkennen. Der Weg in die Welt, der Weg zu Österreichs Aufgaben in der Welt, geht über unser Bekenntnis zu Österreich. Hier glaube ich, gibt es am wenigsten Streit unter der Jugend. Die Väter hatten es zu ihrer Zeit schwerer. Gerade in dieser Hinsicht hat die Jugend am wenigsten Anlaß, die Kämpfe der Väter zu wiederholen. Aber so, wie der Mensch erst dann ganz Mensch ist, wenn er über sich selbst hinauswächst, so ist der Österreicher erst dann ein wahrer Österreicher, wenn er über dieses Österreich hinausblickt. Nicht in Sehnsucht nach einem Traumreich, sondern in der Erkenntnis, daß er als Österreicher einen Dienst an der Welt zu erfüllen hat. Nicht nationale Abgeschlossenheit, nicht nationales Selbstgenügen kann dem Österreicher frommen; kein Provinzialismus, keine Engstirnigkeit, sondern Offenheit, Auf-

geschlossenheit, ein weiter Blick und ein weites Herz. Der Weg zur Welt kann für den Österreicher nur über Österreich gehen. Man kann aber nicht in Festreden Österreich preisen und alte kleine Eifersüchteleien hüten.

Welche Aufgaben hat nun Österreich in der Welt? Ich sagte es schon: Ein Spurenelement des Friedens zu sein. Hüten wir uns auch hier vor der schönen Phrase, von der Mittlerfunktion, vom Brückenbau oder von der Drehscheibe. Es ist nicht so, daß die Welt nicht auch ohne uns auskommen könnte. Der Glaube an Österreich darf nicht zu einem vermessenen Glauben werden, so als ob wir uns alles leisten könnten und daß uns nichts passleren würde — auf das Wollen kommt es an, und dieses Wollen darf sich nicht bloß in Deklainationen, erschöpfen, sondern muß'., sich beweisen durch“ unsere Arbeit, durch1 unsere Leistung, durch unsere Opfer. Unsere Aufgabe ist es, Friede und Ordnung nach innen und außen zu halten, unsere Talente, ^ die uns in überreichem Maße geschenkt wurden, nicht zu vergraben und nicht zu verjagen, sondern sie zu pflegen, sie wachsen und reifen zu lassen.

Zukunft als Gegenwart

Wandelt sich die Welt bloß oder geht sie einem Ziel zu? Diese Frage stellen, heißt auch nach dem Sinn der Welt fragen. Regiert das Chaos oder herrscht eine Ordnung. Wenn ich von einem Ziel rede, so verbinde ich damit Werte, die über die Zeit hinausragen. Wenn ich solche Werte erkenne, so muß ich sie auch anerkennen. Auch dann, wenn sie nicht im Strafkodex niedergelegt sind. Herausforderung der Jugend — will das besagen, daß die Jugend sich herausgefordert fühlt durch die Existenz einer solchen höheren Ordnung, oder liegt die Herausforderung der Jugend darin, daß sie sich zutiefst angesprochen fühlt durch die mögliche Zerstörung einer solchen Ordnung — weil sie erkennt, daß die Zerstörung dieser höheren Ordnung zur Zerstörung jeder menschlichen Gemeinschaft führt, wie Ehe, Familie, Staat, zur Zerstörung des Menschenbildes als eines verantwortlichen Wesens und damit zur Zerstörung und Aufhebung der menschlichen Freiheit? Die Zerstörung der Welt der Werte führt zur Zerstörung der Zukunft des Menschen, jener Zukunft, die eure Gegenwart sein wird. In welchem Sinn Sie, meine jungen Freunde, die wandelnde Welt als eine Herausforderung der Jugend empfinden, darauf können nur Sie selbst Antwort geben.

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