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Unvermeidliche Weihnachtssocken

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Ich besitze vermutlich die größte Sammlung geschmackloser Schlipse in Österreich. Schuld an dieser bedauerlichen Tatsache ist Weihnachten, genauer: die Einfallslosigkeit meiner vielen Tanten. A propos Tanten: ich besitze wahrscheinlich auch die größte Sammlung phantasieloser Tanten in Österreich. Sowohl meine Frau als auch ich stammen aus kinderreichen Elternhäusern, wir brachten beide einen ansehnlichen Tantenbestand in die Ehe, der sich damit zu einer nachgerade gigantischen Kollektion addierte. So weit, so schlecht.

Fast alle meiner vielen Tanten schenken mir seit vielen Jahren viele Schlipse; ausgesucht von alten Damen, die ihre beste Zeit mit Lilian Harvey und Zarah Leander hatten und deren Krawattengeschmack schon unter Figl und Raab nicht mehr als der modischste gelten durfte.

Halbherzige Versuche, den all weihnachtlichen Krawattenstrom zum Versiegen zu bringen, scheiterten. Denn da ich überzeugter Antialkoholiker und militanter Nichtraucher bin und die Tanten das wissen, führte eine von mir gestartete Anti-Schlips-Kampagne zu einer wahren Flut weih-nachtlicher Rasierwasserschenkungen. Bücher zu schenken wagen die Tanten gottlob nicht; dazu halten sie meinen Geschmack für zu kompliziert. Bei Schlipsen und Rasierwassern sind sie nicht so sensibel; unter diesen „eaux de toilette" - viele von ihnen tragen die Bezeichnung Toilettewasser mit voller Berechtigung! -fanden sich die absonderlichsten und exotischsten Geruchskompositionen. Dann schon lieber die gewohnten Schlipse; die riechen nicht und lassen sich auf Flohmärkten versilbern oder in Praktisches tauschen. Auch für dieses Jahr resignierte ich der saisonalen Krawattenpest entgegen, bis ich eine gute Idee zu haben glaubte: Sok-ken! Das war die Lösung: Socken! Davon konnte man nie genug haben. Also ließ ich im Tantenkreis gezielte Bemerkungen fallen wie: Kaum mehr Socken im Schrank... Schlipse hingegen sonder Zahl... et cetera, et cetera. Mein Plan würde funktionieren.

Ich freute mich. Leider freute ich mich zu früh.

Im November feierte die Familie Tante Rosas Geburtstag. Da es der siebzigste war, strömte in ihrem Haus die Tantenschar zusammen. Ich war leider verhindert und so nahm das Verhängnis seinen Lauf. Denn als die Tanten das gewohnte Kaffee- und Tortenritual zelebrierten, kam unseligerweise die Rede auf den abwesenden Neffen und dessen Sockenwünsch. Tante Rosa verkündete stolz: Ich stricke für den Buben schöne dicke Wollsocken! Dabei stellte sich heraus, daß auch andere Tanten das zu tun planten und offenbar kamen sie -wohl jede für sich - zu dem Schluß, daß, jedenfalls für dieses Jahr, doch besser von einer Sockenschenkung abzusehen sei. Denn keine der Tanten konnte so gut stricken wie die alte Rosa und gegen deren Selbstgestrickte hätten gekaufte Socken schon gar keine Chance.

Weihnachten war es dann natürlich wieder so weit: Von jeder Tante (in Worten: von jeder!) bekam ich den gewohnt geschmacklosen Schlips -Stilrichtung: Phantastischer Brutalismus! - sogar von der guten Tante Rosa. Ihr war nach eineinhalb Socken die Wolle ausgegangen und zeitgerecht konnte in passender Farbe und Stärke kein Nachschub beschafft werden; ein schneller Schlips mußte aus der Verlegenheit helfen. Resultat: 13 weitere Weihnachtsschlipse!

Lieber Leser! Falls Sie gerade einen Schlips suchen, eventuell als geschmackvolle Festgabe, rufen Sie mich an! Ich verfüge über einen Krawattenbestand in allen Farben und Breiten, aus Seide und Wolle, aus Plaste und Elaste; eine ist aus echtem Ziegenleder (igitt!) uncfein paar sind sogar schon fertig gebunden (Windsorknoten, Güteklasse A) und mittels Gummiband unterm Kragen zu fixieren. Sehr praktisch!

Rufen Sie mich an, ich liefere prompt und preiswert! Großzügige Mengenrabatte! Sorgen Sie bitte nur dafür, daß ich mit meinem Kleinlastwagen bei Ihnen problemlos parken und gegebenenfalls wenden kann!

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