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Verblüfft über Erfolg

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Die Sanierungspartnerschaft der beiden Großparteien greift. Budgetkonsolidierung und Steuerreform mit leichten Entlastungen tragen bei zur Stabilität Österreichs.

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Die Sanierungspartnerschaft der beiden Großparteien greift. Budgetkonsolidierung und Steuerreform mit leichten Entlastungen tragen bei zur Stabilität Österreichs.

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Ein uninformierter Fremder hätte im Österreich des Jahres 1988 angesichts des geradezu hysterischen Eifers, einen Aufnahmeantrag für die EG zu stellen, und gleichzeitiger Aktivitäten, deren Länder gröblichst vor den Kopf zu stoßen, den Eindruck, sich in einem chaotischen Staatswesen zu befinden. Eine Vorstellung, welche sicherlich nicht durch die Lektüre der hiesigen Massenmedien entkräftet worden wäre.

Wie verblüfft müßte er sein zu hören, daß er sich in einem der stabilsten Länder der westlichen Welt befindet, dessen wirtschaftliche Entwicklung nach einigen Jahren verhaltenen Wachstums wieder auf einen Pfad einzuschwenken scheint, welcher in der Vergangenheit stets das Aufsehen des Auslands erregt hatte.

Aber noch erstaunter wäre er, zu hören, daß die gegenwärtige Regierung aus den beiden großen Parteien des Landes als durchaus verantwortlich für den neuerdings so günstigen Fortgang der wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet werden kann, und daß sie sogar in der Lage war, bis jetzt die Ziele zu erreichen, welche sie sich gesetzt hatte.

Dazu gehört an erster Stelle die Steuerreform. Die Korrekturen des Steuersystems und die Begrenzung der Steuerbelastung konnten bemerkenswert rasch formuliert und beschlossen werden.

Dazu ist es gelungen, der Bevölkerung per Saldo eine weitere leichte Entlastung zu vermitteln, ohne das Primärziel, nämlich die Budgetstabilisierung, zu gefährden. Solches schien Amerikanern wie Deutschen in ihrem Lande ein säkulares Ereignis, war jedoch die österreichischen Massenmedien neben ergiebigen Personalquerelen keine Erwähnung wert.

Natürlich erhält die Steuerreform ihren Wert erst durch diesen parallel laufenden Budgetausgleich. Dessen Zeitplan konnte bisher exakt eingehalten werden.

1987 blieb das Defizit mit 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts unter diesem, und 1988 ist damit zu rechnen, daß 4,5 Prozent unterschritten werden.

Und es hat auch den Anschein, als ob sich der stille, aber effiziente Finanzminister mit Unterstützung des Bundeskanzlers über die mangelnde Einsicht mancher Minister in die budgetären Notwendigkeiten werde 1989 hinwegsetzen können.

Selbstverständlich ist eine langfristige Sanierung des Budgets nur dann zu erwarten, wenn die seiner Passivierung zugrunde liegenden Probleme gelöst werden.

Die Bewältigung des spektakulärsten, der Verstaatlichtenkrise, gelang bereits in einem Ausmaß, das es diesen Betrieben erlaubte, voll an der internationalen Lagerkonjunktur teilzunehmen. Im Bereich der Bundesbahnen verdeckt die Diskussion um das niedrige Anfallsalter der Pensionen die Rationalisierungspolitik, die allmählich zu greifen beginnt.

Ein heikler Bereich freilich bleibt die Sozialversicherung. Sieht man von Randproblemen der Ruhensbestimmungen ab, dürfte man von einigermaßen konkreten Vorstellungen über die Gestalt der künftigen Pensionsversicherung noch weit entfernt sein, umso weiter, als auch die Minister nicht bereit scheint, demographische und soziale Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte—wie etwa die unterschiedliche Lebenserwartung der Geschlechter — zu akzeptieren.

Hier werden der Politik sicherlich in den nächsten Jahren Aufgaben erwachsen. Aber nur Ein-

,,Österreich partizipiert am jüngsten Konjunkturaufschwung in vollem Maß“ faltspinsel können der Meinung sein, daß in einer demokratischen Gesellschaft mit vielfältigen Meinungen und Interessen Probleme von heute auf morgen konfliktfrei gelöst werden können.

Jedenfalls scheinen von diesem Sanierungs- und Reformkomplex kaum bremsende Effekte auf die Wirtschaft auszugehen. Österreich partizipiert an dem jüngsten Konjunkturaufschwung in vollem Maße.

Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung sah sich genötigt, seine Wachstumsprognose für 1988 von real ein Prozent im Herbst auf 2,5 Prozent im Sommer hinaufzusetzen sowie die vorausgesagte Arbeitslosenrate von 6,2 Prozent auf 5,4 Prozent zu reduzieren.

Die Arbeitslosigkeit sinkt also erstmals seit 1980 — und es steht dahin, ob das die letzte Prognoserevision für dieses Jahr sein wird.

Der Autor ist stellvertretender Leiter des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung.

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