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Vom geglückten Leben

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„Autobigraphische Miniaturen" nennt Hubert Gaisbauer, zusammen mit Heinz Janisch Herausgeber vorliegender Quintessenz der von ihm gestalteten Hörfunk-Reihe (Öl) „Menschenbilder", die 20 gestrafften, nun als Buch erschienenen Gesprächstexte.

Es sei gleich anfangs vorweggenommen: die Übertragung des lebendigen, ad hoc gesprochenen Wortes mit all seiner zum nackten Text zusätzlich durch Tonfall, Tonhöhe, Betonungen, Pausen, Sprechgeschwindigkeit und so weiter gegebenen Information ins karge Medium des Buches ist wohl gelungen. Und diese Überlegung führt sofort zum Kern der Sache: weshalb ist die Sendung „Menschenbilder" beliebt? Die Antwort ist einfach: Im Aufnehmen der fremden Biographien wird die Relevanz derselben zum eigenen Lebensbild deutlich und Bewußtwerdungs-prozesse beginnen im eigenen Inneren abzulaufen. Der beste Beweis dafür ist die Tatsache, daß „Menschenbilder" am 29. März 1992 zum 400. Mal gebracht werden konnte.

Der Schritt von 400 Interviews zu den 20 eben gedruckt erschienenen Biographien war sicherlich nicht leicht. Geholfen hat wohl die Tatsache, daß „Menschenbilder" nie bloß eine Prominentensendung war, einzig der Lebensweg mußte berühren. So wird der durchschnittlich gebildete und informierte Leser auch bloß etwa ein Drittel der hier vorgestellten Persönlichkeiten bekannt finden, Ilse Aichinger zum Beispiel, Elisabeth Kübler-Ross oder Anna Mahler.

Dazu ein weiteres Kriterium: auch das eigene „gelungene Leben" kann natürlich erst nach einer gewissen Anzahl von Lebensjahren beurteilt werden. Das durchschnittliche Alter der Vorgestellten ist 80. Um bei der Statistik zu bleiben: ein gutes Viertel ist jüdischer Abstammung, bei ebenso vielen handelt es sich um Kinder berühmter Eltern (Felix Klee, Anna Mahler, Letizia Svevo und andere), und mehr als die Hälfte lebt außerhalb des deutschen Sprachraumes.

Vorteile des Lesens

Doch nun zu den Texten: Als Einleitung gibt es jeweils neben einem Foto eine präzise Charakterisierung des vorgestellten Menschen. Danach beginnt jener zu „sprechen". Und hier mag sich sehr bald der Leser des Buches im Gegensatz zum Hörer der jeweiligen Sendung in höherem Maß beschenkt fühlen als jener, und zwar durch die Möglichkeit des Zurück-greifen-Könnens auf die Vielfalt des Gebotenen, auf Stimmungen, Haltungen, Ansichten oder Standpunkte innerhalb der Schicksalsentwicklung des Sich-Darstellenden. Zwischen den Interviewteilen gibt es immer wieder kurze Überlegungen, die, im Gegensatz zur Sendung, im Buch fehlende Gesprächsteile gut ergänzen, zum Beispiel Bemerkungen über Frau Professor Leitmaiers Liebe zur Natur, oder über die beginnende Zuwendung des Schriftstellers Gerhard Meier zur Literatur.

Zum Ende der Lektüre mag dem dankbaren Leser wohl ein Zitat aus dem Werk Franz Karl Ginzkeys in den Sinn kommen: „Für meine Seele kommt Besuch / Ein schönes, wohl-gewachsnes Buch / Zur Lampe trag ich's sorglich hin / Vielleicht steckt auch ein Mensch darin?" Hier innerhalb dieser gelungenen Auswahl und Präsentation sind es sogar 20.

MENSCHENBILDER. Herausgegeben von Hubert Gaisbauer und Heinz Janisch. Verlag Austria Press, Wien 1992.214 Seiten, öS 398,-

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