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Vom Spielzeug zum Machtfaktor

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Wenn am 1. Oktober im Musikvereinssaal ein Konzertprogramm von Strawinsky bis zu Fritz Pauers ORF- Auftragswerk für Jazz- und Symphonieorchester abzulaufen beginnt, sind es auf den Tag genau 50 Jahre, daß es Rundfunksendungen in Österreich gibt.

Aus diesem Anlaß empfing Doktor Alfred Härtner, seit sieben Jahren Programmdirektor, die FURCHE zu einem Gedankenaustausch in seinem Büro. Der kluge, zurückhaltende Endvierziger erwarb sich seine Sporen seit 1947 in der Sendergruppe „Alpenland” und bei „Rot-Weiß-Rot” und stellt sozusagen eine Rarität dar: ein wirklich „gelernter” Rundfunkfachmann, was auch zu seiner Wahl in das Exekutivkomitee der Europäischen Rundfunkunion (Rundfunkkommission) geführt hat.

Begonnen hat das alles 1924 im Bastlerstil. Für die RAVAG-Leute in der Johannesgasse in Wien gab es keine Erfahrungen zu übernehmen, aber überall zu lernen. Als 1938 die braunen Machthaber in die Argentinierstraße einzogen, wurde der Rundfunk auch in der „Ostmark” zum wichtigsten Faktor der Reichspropaganda Und außerdem „Deutsches Eigentum”, was die Schaffung eines eigenständigen österreichischen Rundfunks nach der „Stunde Null” in manchen Bereichen um zehn Jahre verzögerte. Nach 1967 konnte dann der ORF an die Verwirklichung einer alten Hartnerschen Idee denken: Erst das Vorhandensein von drei Senderversorgungsnetzen, die voneinander unabhängig in fast ganz Österreich empfangen werden konnten, machte ein Abgehen von den Mischprogrammen möglich.

Daß — wahrlich nicht „nebenbei” — der Hörfunk im ORF eine gewichtige Rolle in der Kunstförderung übernommen hat, sieht man heute schon als Selbstverständlichkeit an. Der Funktion nach ist das Radio heute sozusagen der Nachfolger der vielen kleinen und kleinsten Bühnen des alten Österreich, und der Umstand, daß der Hörfunk wesentlich billiger produzieren kann als das Fernsehen, macht ihn auch ideal geeignet zur Betreuung der verschie densten Minderheiten. Das Fernsehen hängt in seinen Ausdrucksweisen und Gestaltungsmöglichkeiten noch immer sehr vom Theater ab, während das Radio schon längst zu einer künstlerischen Eigenständigkeit gelangt ist. Durch die leichtere Beweglichkeit der Aufnahmeteams wird sich der Hörfunk auch in der Zukunft gegen die Konkurrenz des Fernsehens behaupten können. Wie er dem Druck der verschiedenen Lobbys und Pressure-groups zu widerstehen vermag, wird man bald sehen können.

Man schreitet jetzt in Österreich zu einer ORF-Reform. Am Beispiel des Hörfunks zeigt es sich, daß man sich hier einen recht gesunden Organismus vorgenommen hat. Wird das Ergebnis dieser Maßnahmen nur gleich gut und nicht wesentlich besser, so wird man den Neuerern gerechte Vorwürfe nicht ersparen können.

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