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Weiter Konsumidiotie

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Regelmäßig zu Vorwahlzeiten rücken Meinungsforschungsinstitute ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Was früher einmal die Kristallkugel, der Kaffeesatz oder das Kartenlesen bot, soll heute durch empirische Untersuchungen möglich gemacht werden: künftige Entwicklungen möglichst genau bestimmen, einem einmal erkannten Trend vielleicht doch noch eine Wendung geben zu können.

So hieß es in einer großen öster- | reichischen Zeitung unmittelbar vor || dem 21. Oktober 1973: „Wahrscheinlich ÖVP- und FPÖ-Gewinne in Wien; SPÖ-Sieg in Oberösterreich? Galliup-Institut durchleuchtete die Wähler vor beiden Landesentscheidungen.“

Aus Beispielen wie diesem jedoch den Schluß ziehen zu wollen, die Meinungsforschungsinstitute betrieben eklatante Scharlatanerie, wäre wohl ebenso falsch wie eine blinde Umfragehörigkeit. Ganz Obergescheite wissen zu berichten, daß die vor Wahlen veröffentlichten Ergebnisse ohnehin nichts anderes als nackte Manipulation seien. So auch neulich in einem SP-Flugblatt) an parteieigene Funktionäre, in dem pauschal die Arbeit so ziemlich aller österreichischer Meinungsforschungsinstitute in Frage gestellt und lediglich IFES, das Institut für empirische Sozialforschung, „das von Nationalrat Karl Blecha geleitet wird“ (so der Flugblatt-Text) als einsames leuchtendes Beispiel seriöser Meinungsforschung gepriesen wird.

Dennoch, Wahlanalysen sind nicht das tägliche Brot dieser Institute, sondern die Marktforschung und verwandte, damit verbundene Gebiete wie die Vorausschau auf Marktentwicklung in der Zukunft, Produkt-Entwicklung, Zielgruppenforschung, Werbemittel-Tests, Preis-Marketing-Analysen und Standortberatung.

Eine kürzlich erschienene Studie des IFES gibt über die Dienstleistungen dieses Instituts genauen Aufschluß. IFES bietet sich als Spezial-institut für Konsum- und Investitionsgütermarktforschung an; die Resultate sind aufschlußreich.

Daß die Inflation derzeit in Österreich eine unerfreuliche Entwicklung nimmt, ist bekannt; IFES hat dazu eine eigene Meinung: „In einer Zeit steigender Einkommen, aber auch steten inflationären Preisauftriebs ist die Empfindlichkeit der Hausfrauen gegenüber kleineren Preisschwankungen vermindert. Es zeigte sich, daß erst massivere Preisänderungen mit entsprechenden Verhaltensänderungen honoriert werden. Der augenblickliche Erfolg von Preissenkungen täuscht über die tatsächliche Wirkung dabei leicht hinweg. Schon bei geringfügigen Preisreduktionen — soweit sie genügend sichtbar gemacht werden — kommt es, insbesondere bei nicht verderblichen Konsumgütern, zu spekulativen Hortungskäufen. An echtem Mehrkonsum bleibt dabei wenig übrig und für ein „Umsteigen“ von anderen Marken reicht der Anreiz dabei auch nicht aus.“

Mit einfachen Worten: Preiserhöhungen bis zu einem gewissen Prozentsatz (siehe Tabelle 1) haben auf das Kaufverhalten von Herrn und Frau Österreicher noch keinen Einfluß, während Preissenkungen ohnehin kaum Erfolg haben. In Zeiten fortschreitender hausgemachter Inflation können Umfrageergebnisse wie dieses an wißbegierigen Unternehmerohren kaum vorbeigehen.

Doch weiter im Text: „Um die Wirkung der allgemeinen Anhebung des Einkommens über längere Fristen zu erfassen, befragte das IFES in einer anderen Studie, die im Juni 1973 abgeschlossen wurde, eine Stichprobe der Wiener Bevölkerung im Rahmen einer Mehrthemenumfrage, wie sie auf eine Erhöhung ihres Einkommens um die Hälfte reagieren würden.“ Die Ergebnisse können der Tabelle 2 entnommen werden.

„Bei allen Bedenken gegen die Aussagekraft hypothetischer Konsumtendenzen gibt das Gesamtbild zu denken. Die Konsumneigung, gerade auch der Frau, richtet sich bei steigendem Einkommen auf Wohnung, Gesundheitssicherung, Urlaub und Kultur — viel weniger auf den direkten Konsum. Läßt das den Schluß zu, daß in vielen Konsumsektoren — zumindest bei der besser situierten städtischen Bevölkerung — schon ein gewisser Sättigungsgrad erreicht ist?“

Besteht also eine Gefahr, daß die Konsumneigung in Österreich abnimmt, ein „Sättigungsgrad“ erreicht ist, die Bevölkerung — allen Politologen zum Trotz — der Konsumgesellschaft ade sagen will?

Keine Angst! Auch für solche Fälle findet sich etwas in der Angebotspalette des IFES, die sogenannte „Bedürfnisforschung“, deren Aufgabe die Ideengewinnung für die Produktentwicklung ist. Einfacher ausgedrückt, ist dies ein Verfahren, das neue Bedürfnisse schafft, welche durch ebenfalls neu zu entwickelnde Produkte zu befriedigen sind. Ein Verfahren, welches heute zwar allenthalben mit großem Erfolg praktiziert wird (siehe Freizeitindustrie), von strenggläubigen Sozialisten jedoch mit dem Reizwort „Konsumidiotie“ rundweg als kapitalistischer Taschenspielertrick abqualifiziert wird.

Die Inflation hat noch alle Chancen in Österreich.

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