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Welche Institutionen fördern Wachstum und Wohlfahrt? Im Vorfeld der Europäischen Wissenschaftstage Steyr wirft eine Studie Schlaglichter auf gesellschaftliche Befindlichkeiten.

War es bloß Zufall? Lenkten Suggestivfragen zu den gewünschten Antworten? Oder wurde tatsächlich ein jahrzehntealtes Vorurteil ad absurdum geführt? Schwer zu sagen. Bei den Veranstaltern der "Europäischen Wissenschaftstage in Steyr" war vergangenen Montag jedenfalls die Freude groß: Die von ihnen in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zum Thema "Sozialer Fortschritt, Wohlstand und Wohlfahrt", die vom Institut für empirische Sozialforschung (IFES) durchgeführt worden war, bescheinigte den Österreicherinnen und Österreichern unerwartet hohe Sympathien für Forschung und Wissenschaft. Auf die Frage "Welche Institutionen fördern den sozialen Fortschritt und die Wohlfahrt?" reihten die 500 Befragten Förderinstitutionen für Wirtschaft, Forschung und Technologie an die erste Stelle - vor internationalen Institutionen wie UNO und Weltbank, den Sozialpartnern, Kammern und Verbänden, Bürgerinitiativen und den (abgeschlagenen) politischen Parteien.

Auch in anderen Bereichen zeigt sich ein ähnliches Bild: 79 Prozent sehen in Schulen und Bildungseinrichtungen jene Institutionen, die für den gesellschaftlichen Wohlstand am meisten beitragen. Für 62 Prozent ist jeder einzelne an seinem Wohlstand "schuld", für 60 Prozent die Wirtschaft und für immerhin 54 Prozent die Wissenschaft. Und wieder wird der Politik wenig zugetraut: Nur 21 Prozent messen ihr einen großen Einfluss auf die Förderung des Wohlstands bei. Damit liegt die Institution Politik an letzter Stelle - mit Kirche und Religion.

Politik und Kirche out

Während sich also Berghold Bayer von den 1999 gegründeten "Europäischen Wissenschaftstagen in Steyr", über einen erfreulichen Impuls für die diesjährige Veranstaltung freuen kann - von 7. bis 12. Juli diskutieren renommierte Wissenschafter zum Thema "Wachstum, Werte, Wohlfahrt" -, fällt das Urteil für Politiker und Kirchenvertreter vernichtend aus: "Es müsste ein Alarmzeichen sein, dass man den Parteien, gemeinsam mit kirchlichen Institutionen, so wenig Gestaltungskraft einräumt", erklärt Gert Feistritzer von IFES.

Der Vertrauensverlust scheint nachhaltig: Fragt man etwa nach dem Beitrag der Institutionen für das innere Wachstum und die persönliche Entwicklung der Menschen, werden Religion und Kirche an letzter Stelle genannt. Glaubt man der IFES-Umfrage, haben die Kirchen auch jeglichen Kredit als Orientierungshilfen in Wertfragen verspielt: Nur 21 Prozent richten sich an kirchlichen oder religiösen Vorgaben aus, während das Vertrauen in die Urteile von Wissenschaft und Forschung wächst (35 Prozent). "Die Wissenschaften bekommen eine Art religiösen Charakter", erklärt der Wiener Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner dieses Phänomen. "Es ist eben ein bekannter Zug, dass man der Wissenschaft wesentlich mehr zutraut, als sie leisten kann." Freilich sei der Vertrauensverlust in die Institution Kirche auch deshalb eingetreten, weil man es verabsäumt habe, sich aktuellen Fragen zu stellen. "Außerdem stehen Theologie und Kirche noch immer im Verdacht, vormodern zu sein, während sich die Menschen als modern empfinden," konstatiert Zulehner gegenüber der furche.

Auch die Politik befindet sich im Dilemma, ist der renommierte Werteforscher überzeugt. Sie habe es noch nicht geschafft, eine neue Sprachkultur zu entwickeln und würde die potenziellen Wählerinnen und Wähler mit ihren populistischen Slogans nach wie vor für dumm verkaufen. "Doch die Leute merken das - und die Parteien zahlen den Preis."

"Der Politik wird keine gesellschaftspolitische Kraft mehr zugetraut", glaubt auch Christian Friesl, Leiter des Bereichs Gesellschaftspolitik in der Industriellenvereinigung und Präsident der Katholischen Aktion Österreichs. Nicht durch Zufall würden sich immer mehr subsidiäre Einrichtungen wie NGOs, Wirtschaftsunternehmen, Volksbegehrens-Plattformen oder auch die Kirchen einmischen, um hohe Ziele wie etwa die Sicherung des Sozialsystems "netzwerkartig" zu erreichen. Im Gegenzug wird aus diesem schwindenden Glauben an die gesellschaftsprägende Kraft des Staates heraus der Wunsch nach mehr staatlicher Regulierung umso verständlicher - zumal in existenziellen Bereichen des Lebens. Tatsächlich sprachen sich im Rahmen der IFES-Studie 51 Prozent der Befragten für ein stärkeres Eingreifen des Staates im sozialen Bereich aus. Demgegenüber halten nur 30 Prozent eine stärkere Regulierung der Wirtschaft für angebracht. "Der Wunsch nach Freiräumen darf also nicht auf Kosten der sozialen Sicherheit gehen", interpretiert Gert Feistritzer von IFES die Zahlen.

Das Vertrauen auf soziale Sicherheit und Gerechtigkeit ist zweifellos ein Grundpfeiler der Gesellschaft - ebenso freilich das Hoffen auf ein stetiges Wirtschaftwachstum. Ob diese beiden Säulen einander zulassen oder aber in die Quere kommen, wird auch bei den "Europäischen Wissenschaftstagen in Steyr" ein Thema sein. Dennis Mueller, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien und Referent in Steyr, geht jedenfalls davon aus, dass Wirtschaftswachstum und Sozialgerechtigkeit einander bedingen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass Österreich bei einer Wachstumsrate von zwei Prozent in den nächsten 20 Jahren um 49 Prozent reicher werde, bei einem Wachstum von drei Prozent gar um 81 Prozent.

Die Kunst bestehe nun darin, diesen finanziellen Wohlstand zu verteilen. Eine hohe Steuer- und Abgabenquote, wie sie derzeit Österreich mit knapp 46 Prozent besitzt, hält der Ökonom mit US-amerikanischen Wurzeln freilich für den ungeeignetsten Weg zur Umverteilung. Im Gegenteil kämen viele Transferleistungen erst recht wieder den Wohlhabendsten zugute, führt Mueller im Gespräch mit der furche an: "Anhand einer OECD-Studie wurde nachgewiesen, dass diese Gelder nicht den ärmsten, sondern den reichsten 20 Prozent zufließen."

Falsche Verteilung

Als Beispiel nennt er die Universitäten. "Wenn wir sie durch Steuern finanzieren, werden Ärmere verhältnismäßig stärker zur Kasse gebeten als Reiche." Durch ein Gebühren- und Stipendiensystem, wie es jetzt in Österreich eingeführt worden und in den USA noch viel ausgeprägter vorhanden sei, müssten nur jene bezahlen, die später durch ihre Ausbildung auch mit einem höheren Einkommen rechnen könnten. In diesem Sinne könne der Sozialstaat umgebaut werden, ohne die soziale Gerechtigkeit aufs Spiel zu setzen.

"Die Staatsquote ist nicht automatisch die Sozialquote," ist auch Christian Friesl überzeugt. Schon jetzt seien immer mehr Personen bereit, einen Diskurs darüber zu führen, was sinnvollerweise privat zu leisten sei. Im Gegenzug würden auch immer mehr Unternehmen ihre gesellschaftspolitische Verantwortung erkennen. "Hier gibt es eine Annäherung, sodass man nicht mehr überall den Staat als Durchlauferhitzer braucht."

Informationen zu den 4. Europäischen Wissenschaftstagen in Steyr sind unter (01) 599 32-39 oder www.sync-relations.at erhältlich. Nach der "Summer School" für hochqualifizierte Wissenschafter (7. bis 10. Juli) finden am 11. und 12. Juli eine allgemein zugängliche Konferenz statt.

Wachstum und Werte Bereits am Mittwoch, den 26. Juni um 19 Uhr lädt die Industriellenvereinigung Österreichs zu einer Debatte über "Wachstum und Werte - Widerspruch oder produktive Ergänzung?" ein. Es referieren Dennis Mueller und Paul Michael Zulehner. Ort: Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien

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