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Wie die SA

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Die italienische Demokratie war in schwerer Gefahr und gerade die Tatsache, daß diese Gefahr so heftig unterspielt wurde, ist ein Indiz dafür, daß sie keineswegs gebannt ist. Italien ist heute wieder so weit, daß der Kopf Mussolinis unangefochten plakatiert werden kann und der Putschversuch des Fürsten Borghese mag zwar operetterihaft gewesen sein, aber aus Operettenputschen wurde schon oft genug blutige Wirklichkeit. Auch die Linke formiert sich, nicht nur politisch, sondern auch gewerkschaftlich, nun in schlagkräftiger Form. Die Polarisierung schreitet fort, nur Naive halten die Entstehung einer weiteren Diktatur südlich des Brenners für ausgeschlossen. Was dann käme, wären schlechte Zeiten für Demokraten, schlechte Zeiten für Pluralisten.

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Die italienische Demokratie war in schwerer Gefahr und gerade die Tatsache, daß diese Gefahr so heftig unterspielt wurde, ist ein Indiz dafür, daß sie keineswegs gebannt ist. Italien ist heute wieder so weit, daß der Kopf Mussolinis unangefochten plakatiert werden kann und der Putschversuch des Fürsten Borghese mag zwar operetterihaft gewesen sein, aber aus Operettenputschen wurde schon oft genug blutige Wirklichkeit. Auch die Linke formiert sich, nicht nur politisch, sondern auch gewerkschaftlich, nun in schlagkräftiger Form. Die Polarisierung schreitet fort, nur Naive halten die Entstehung einer weiteren Diktatur südlich des Brenners für ausgeschlossen. Was dann käme, wären schlechte Zeiten für Demokraten, schlechte Zeiten für Pluralisten.

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Die Nachricht von einem Staatsstreich, der am 7. Dezember von Rechtsextremisten in einer Art zweiten ,,Marsches auf Rom” hätte durch- gefühirt werden sollen, lag seit längerer Zeit in der Luft, ohne daß sie bisher eine offizielle Bestätigung gefunden hatte. „Man” wußte, ohne genau zu wissen, daß es beim Kampf zwischen Reggio Calabria und Catan- zaro nicht nur um die Zuordnung der Regionalhauptstadt Kalabriens ging, sondern daß rechtsextremistische Gruppen den Zankapfel des Regionalismus für ihre Anliegen zu mißbrauchen trachteten.

Schlägertrupps nach dem Vorbild der SA wurden formiert. Seit Monaten ist, wie vor dreißig Jahren, an ungezählten Plakatwänden und Mauern der Duce-Kopf mit Stahlhelm zu sehen. Das vorgeschobene Kinn Mussolinis steht für die Entschlossenheit seiner Jünger, nach dem „Parteigezänk” der parlamentarischen Demokratie mit Gewalt einen

„starken Staat” zu erkämpfen. Daß rechtsextremistische Gruppen in paramilitärischen Formationen rund um den Gran Sasso und südlich von Cosenza einer „harten Ausbildung”

und „eiserner Disziplin” unterstellt sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Von mindestens 30 faschistischen Schlägergruppen war in jüngster Zeit die Rede. Charakteristisch ist der Wahlspruch der den nationalsozialistischen SA-Verbänden nachgebildeten „Nuovo-Ordine”-Einheit; die ungefähr 3000 Jugendlichen der „Neuen Ordnung” schwören auf ihre Ehre, die sie als Treue begreifen. Es ist eine Anspielung auf die plötzliche Kehrtwendung Badoglios und des Königs, die bekanntlich am 8. September 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatten und sich damit vom deutschen Bündnispartner lösten. 28 Jahre nach jenem „unrühmlichen Kapitel der italienischen Geschichte” betrachten die Rechtsextremisten den 8. September als „Tag der nationalen Schande”. Neben Mussolini ist für sie Adolf Hitler „der erste Staatsmann von Bedeutung, der die Gefahr des Kommunismus für die Eigenständigkeit der Nationen” erkannt habe. Nicht von ungefähr sind in ihren Trainingslagern da und dort Bilder der beiden Diktatoren in alter Eintracht zu sehen.

Infolge ihrer verschiedenen Zielsetzungen vermochten sich diese Einheiten bisher nicht organisatorisch zusammenzuschließen. Die gemeinsame Abneigung gegen den demokra- stischen Staat und den Kommunismus gibt keine genügend starke Parole ab. Auch fehlt eine Führergestalt, die sie zusammenschweißen könnte. Der jetzt verdächtige Prinz Valerio Borghese hatte sich 1941 und 1945 als unerschrockener Offizier im U-Boot- Krieg und iin Kampf gegen die italie-

nischen und jugoslawischen Kommunisten ausgewiesen, doch ist sein politisches Format sehr fragwürdig. Nicht einmal in der neofaschistischen Partei der Nachkriegszeit vermochte er sich durchzusetzen. Die von ihm 1968 gegründete Einheit „Fronte Nazionale” ist lediglich eine kleine Splittergruppe eines Rechtsextremismus, der von einer Vergangenheit träumt, die hoffentlich auch in Italien längst versunken ist.

Aber auch der für Anfang 1972 geplante Zusammenschluß der drei großen Metallgewerkschaften FLM (christlich), UIM (sozialdemokratisch) und FIOM (sozialistisch-kommunistisch) könnte geeignet sein, den Trend zu gewaltsamen Konfronta tionen nicht gerade zu dämpfen. Der Zusammenschluß hätte eine geballte Macht von einer Million organisierten Metallern und einem Anhang von mehreren Millionen zur Folge. Sie verstehen sich als Vorhut, der ähnliche Zusammenschlüsse in anderen Wirtschaftszweigen folgen sollen. Schon die Sprache der von sechs Millionen Metallarbeitern zum zweiten Kongreß nach Rom entsandten 900 Delegierten war hart genug und Colombo wird die verschlüsselten Warnungen Carnitis verstanden haben. Auch die Verletzungen eines von Arbeitern niedergeschlagenen Auto-Bianchi-Personalchefs in Mailand (der Betrieb wurde geschlossen, 4000 Arbeiter verloren ihren Arbeitsplatz) war ein Menetekel.

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