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Wofür sind wir verantwortlich?

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Kein nachdenklicher Zeitgenosse bestreitet, daß die Ökokrise real ist und wir für das „ökologische Gleichgewicht " verantwortlich sind. Aber für was genau sind wir verantwortlich und warum? • Nur für unsere Umwelt als der

materiellen Basis unserer Existenz? Ohne Zweifel, schon aus weitsichtigem Eigennutz, aber auch aus Rücksicht auf die anderen, den schon geborenen und den noch kommenden Generationen. e Oder auch für die Natur, für etwas also, das wachsen kann, seine eigenen Ziele verfolgt, was seine eigenen Bedürfnisse und Interessen hat, nun aber von uns bedrängt und

bedroht wird? Dann können und sollen wir Pflanzen und Tiere respektieren, das heißt sie ihre eigenen Ziele und Lebensart verfolgen lassen, nicht nur, solange es uns ' nichts kostet, sondern auch dann, wenn wir sie in unsere Dienste nehmen müssen.

e Oder gar für die Schöpfung, für etwas also, was erkennbar Spur Gottes ist und darum, wie bei den Propheten und in den Psalmen, eine Quelle des Vertrauens und der Freude an diesem Schöpfer? Dann aber dürfen wir die Schöpfung nicht derart unseren Interessen unterwerfen, daß die Spur Gottes verwischt wird und das Geschaffene nur noch als Produkt des Menschen erscheinen kann.

Wie aber kam es angesichts so . vieler Motive, die uns zu einer respektvollen Haltung gegenüber

Umwelt, Natur und Schöpfung hätten bewegen müssen, dennoch zu einer ausbeuterischen Haltung?

Nicht wenige Zeitgenossen sehen den Keim der Zerstörung in der jüdisch-christlichen Schöpfungstheologie selber angelegt („Macht euch die Erde untertan"). Mag sein, daß gewisse ihrer Deutungen in dieser Richtung gewirkt haben. Weit wirksamer aber waren andere Entwicklungen:

• die neue Naturphilosophie, die wissen will, um Macht zu gewinnen (Francis Bacon) und die in den Lebewesen nur noch $ysteme zu sehen vermag, in denen keine Ziele mehr wirksam sind (Entteleologisierung der Natur); • die neue Gesellschaftsphilosophie, die den Eigennutz legitimiert (John Locke, Adam Smith); • die Überzeugung von der Erde

als einem unerschöpflichen Füllhorn, das den Hobbeschen Kampf aller gegen alle als absolut erscheinen läßt;

• schließlich der Synergismus zwischen Wirtschaft, Technik und Naturwissenschaft.

Was ist konkret zu tun, um die drohende Zerstörung wenigstens der Umwelt abzuwenden (vielleicht sogar auch von Natur und Schöpfung)? Die Zauberformel lautet „qualitatives Wachstum". Was immer das bedeuten mag, eines scheint unausweichlich zu werden: Der ProKopf- Verbrauch von Umweltgü-

tern jeglicher Art darf in den reichen Ländern nicht mehr zunehmen, ja er muß abnehmen, in den armen Ländern dagegen die Zuwachsrate der Zahl der Köpfe (und zwar in dieser Reihenfolge). Es ist fraglich, ob rein technische Maßnahmen dafür genügen und ob wir noch viel mehr als eine Generation Zeit haben.

Eine solche Entwicklung setzt unter anderem die Überwindung des strukturellen Wachstumszwanges in der Wirtschaft voraus, aber auchdie KorrekturvonWerthaltungen und Leitideen, die ständiges Wachstum von den Wirtschaftssubjekten her wünschbar und möglich machen (zum Beispiel das Ideal einer rein innerweltlichen und maximalen Selbstentfaltung).

Von den Christen sollte man einen spezifischen Beitrag erwarten dürfen, und zwar nicht nur die Aktivierung der Schöpfungstheologie, sondern auch der Predigt Jesu über Armut und Reichtum.

Der Autor ist Professor für Naturphilosophie an der Münchner Hochschule für Philosophie, sein Beitrag eine kurze Vorschau auf seine Vorlesungen in Salzburg.

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