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Zur Kasse, bitte

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Mit dem Bundesminister außer Dienst Leopold Gratz wird seine persönliche Sekretärin den Sprung über die Wiener Ringstraße ins Parlament tun: diese Doppelübersiedsiedlung vom Minoritenplatz ins Parlament und der Einzug des neuen Burgenland-Pendlers — Dr. Fred Sinowatz — als neuer Bundesminister für Unterricht und Kunst bleiben vorerst die einzigen personellen Verschiebungen im Ressort am Minoritenplatz.

Von der politischen Kinderstube eines burgenländischen Kulturlandesrates aus will der Neo-Unterrichtsminister keine großen und neuen Konstruktionen und Pläne ausarbeiten. Er möchte den Wein, den sein Vorgänger gekeltert hat, ruhig ausgären lassen. Die Schulversuche bleiben weiterhin auf dem Programm. Der Schwerpunkt wird auf dem Wort „Durchführung“ liegen.

Umweltschutz — nur „Koordinierung“

Aber dem Rätselraten um das angekündigte Ministerium für Gesundheit und Umweltschutz nimmt Dr. Fred Sinowatz vorläufig die fragende Spitze. Dank der Massenmedien brennt diese Frage ja jedem unter Seinen Fingernägeln. Dem Bewußtsein der Dringlichkeit folgte jedoch das der Vielfältigkeit. Alle Be reiche eines Staates sind bei der Lösung dieses Themas involviert. Damit auch alle Ressorts einer Regierung. Wird man tatsächlich ein Ministerium für Umweltschutz ins Leben rufen, dann müssen auch alle Minister ein gewaltiges „Scherzel“ von ihren eigenen Kompetenzen abschneiden. Das trifft nicht nur auf den Innen-, Sozial-, Verkehrs- und Handelsminister zu, sondern sogar auf den Bauten-, Landwirtschaftsund Justiz-, vor allem aber den Finanzminister.

Die komplexe Verwaltungsmaterle, die in jedem einzelnen Ministerium die Ümweltschützer zur Kasse bittet, soll offenbar ab nun einheitlich „koordiniert“ werden. Freilich ohne Infragestellung der existierenden Ressorts.

Noch herrscht Unsicherheit am Ballhausplatz, was die Frau Pri- maria Dr. Ingrid Leodolter am Stubenring ministeriell verarzten soll: werden es allein Koordinationsbefugnisse sein? Dem qualitativ zeitnahen, und quantitativ fraglichen Ministerium ist neben der Präsidialsektion einzig und allein die Sektion V des Sozialministeriums, nämlich die Sektion Volksgesundheit, sicher. Sonst wartet man am Stubenring gottergeben auf die politische Entscheidung, die in einem neuen kleinen Kompetenzänderungsgesetz vorgelegt werden wird.

Dieser Entscheidung ging bereits vor mehr als einem Jahr, am 24. Juli 1970, eine wesentliche organisatorische Bedingung voraus. Die Schaffung des Wissenschafts- und Forschungsministeriums zog vor allem die Grundlagenforschung und die Koordination der Probleme der Lärmentwicklüng, der Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung an sich. Eine Übersiedlung dieser die wissenschaftlichen Bereiche umfassenden Forschung in die Hände der designierten Frau Minister Leodolter würde aber wiederum die Existenzberechtigung des nun vorletzten Ressortsprößlings zumindest in Frage stellen. Die Forschung wird demnach dem „auch“ so benannten Ministerium verbleiben. Die Koordination von Forschung und Praxis jedoch wechselt die Chefin. So werden sich in den nächsten Tagen die zwei ministeriellen Damen des Kabinetts Kreisky II, Firnberg und Leodolter, über die Grenzen ihres Haushalts ins reine kommen müssen. Freilich unter Aufsicht des Hausherrn.

Der Unsicherheit des Dürfens und Wollens in diesem neuen Ministerium folgt zugleich die dritte Frau im Bund, Staatssekretär für Familienpolitik, Elfriede Karl. Ihre Tätigkeit wird sich voraussichtlich auf den familienpolitischen Beirat beschränken. Aber auch dort wird nur dann effektiv gearbeitet werden können, wenn der Schilling rollt. Das ist der Rechnung Lösung.

Bis jetzt existiert nur der Mut zur Designierung der neuen Genossen Regierungsmitglieder. Oder Mut zur schöpferischen Pause. Noch fehlt das Konzept.

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