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Zusammenarbeit der Regionen im Alpen-Adria-Raum

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Am 22. November 1977 trafen sich in der Grazer Burg Vertreter der italienischen Regionen Friaul-Julisch-Vene-tien und Venetien, der jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien, des Freistaates Bayern sowie der österreichischen Länder Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Steiermark, um die Konstituierung einer Arbeitsgemeinschaft der Länder und Regionen der Ostalpengebiete von Bayern bis Venedig vorzubereiten.

Der steirische Landeshauptmann Dr. Friedrich Niederl betonte in seinen Begrüßungsworten, die Bedeutung des Alpenraumes als Region über die Staatsgrenzen hinaus. Er wies vor allem auf die Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer hin, in der durch die Länder, Kantone und Regionen der westlichen Alpengebiete seit Jahren Leitbil-

der für die zielbewußte eigenverantwortliche Entwicklungspolitik der Mitglieder erarbeitet werden.

Die wirtschaftliche und poütische Entwicklung der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts ist nicht nur durch ein hohes Maß an Integration und Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinaus gekennzeichnet, sondern bestätigt auch die Erfahrung, daß die Länder und Regionen im Grenzbereich durch Kontakte, Kooperationen und Erfahrungsaustausch in der Lage sind, die Außenbeziehungen zwischen den einzelnen Staaten zu prägen und zu fördern. Eine Erfahrung hat uns die Nachkriegszeit gebracht:

Zusammenarbeit über die Grenze hinaus nützt den Menschen auf beiden Seiten. Sie ist oft tiefergehend als sogenannte große Entscheidungen, die die Staatskanzleien unmittelbar treffen. Der seinerzeitige österreichische

Generalkonsul in Zagreb, Dr. Johann Dengler, hat 1972 eine bemerkenswerte Formulierung gebraucht. Er sprach über die Zielsetzungen einer regionalen Außenpolitik. Er verstand darunter die Gestaltung der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen benachbarten Regionen über Staatsgrenzen hinweg.

Weiters vertrat Dengler die Meinung, daß die österreichische Außenpolitik im besonderen dann Gewicht und Charakter gewinnen werde, wenn sie die Nachbarschaftspolitik als ersten und dringlichen Auftrag anerkennt.

Die Verfassungen einzelner Staaten fördern die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf regionaler Ebene. Die jugoslawischen Teilrepubliken treten gegenüber den Nachbarstaaten beinahe als eigene Rechtspartner auf. Im Bonner Grundgesetz ist den Ländern die Kompetenz eingeräumt, Ver-

träge im eigenen Wirkungsbereich mit Nachbarstaaten abzuschließen. Die Schweiz verfügt über ein sehr flexibles Instrumentarium, die Kantone haben einerseits das Recht in Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches „Verbindungen“ mit ausländischen Staaten einzugehen und können in anderen bestimmten Fällen die Vermittlung des eidgenössischen politischen Departments in Anspruch nehmen.

In Österreich werden Auslandskontakte der Länder praktiziert, wenn sie weder selbst völkerrechtlicher Natur sind noch völkerrechtliche oder außenpolitische Gegenstände betreffen. Darüber hinaus hat der Bund, bevor er Staatsverträge abschließt, die oder deren Durchführungsmaßnahmen die Länder berühren, den Ländern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Länder wollen noch einen weiteren Schritt tun, sie fordern die Kompetenz zum Abschluß von Staatsverträgen in Angelegenheiten ihres selbständigen Wirkungsbereiches. Damit wäre der Standard der Nachbarstaaten erreicht.

In der Sitzung am 22. November 1977 haben die Repräsentanten der einzelnen Länder und Regionen erfreulicherweise sehr konkrete und übereinstimmende Vorstellungen über Arbeitsweise und Zweck der zu gründenden Arbeitsgemeinschaft der Länder und Regionen der Ostalpengebiete geäußert. Bei einem Mindestmaß an Institutionalisierung soll auf Regierungsebene und in Expertengesprächen die fachliche Beratung und Koordinierung von Fragen, welche im Interesse der Mitglieder hegen, Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft sein. In lockeren Gesprächsrunden sollen gemeinsame Grundsätze und Leitbilder erarbeitet werden, welche für die einzelnen Regierungen wertvolle Grundlagen für Sachentscheidungen darstellen können.

Der Bogen der zu behandelnden Themen ist weit gespannt, er reicht von Fragen der transalpinen Verkehrsverbindungen über Probleme der Energiewirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, des Fremdenverkehrs zu aktuellen Fragen des Umweltschutzes der Raumordnung, Siedlungsentwicklung und der Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft. Der Alpenraum bietet sich auf Grund seiner Landschaft, seiner Siedlungsformen und seines Menschentyps als relativ geschlossener Gesamtraum zur gemeinsamen Beratung vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten an.

Der optimistische Konsens, der bereits in der Vorbereitungsphase spürbar ist, läßt der Konstituierung der Arbeitsgemeinschaft mit Zuversicht entgegensehen.

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