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Zwischen Spiel und Leistungskampf

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Über drei Etagen der alten Mürzzu-schlager Franziskanerkirche erstreckt sich die steirische Landesausstellung, widmet sich einem Thema, dem sich keinerentziehen kann, auch der Sport-uninteressierte nicht: „Sport - Sinn und Wahn".

Mehr als hundert Exponate dokumentieren die Geschichte und Entwicklung des Sports, „von den antiken Helden zum .Steirischen Gold'". „Beiträge zum Spitzensport" erläutern die medizinische Seite. In mehreren Abschnitten wird die Rolle der Frau im Sport beschrieben, sind „Mosaiksteine der Frauensportgeschich-te" gesammelt Abhängig von den einzelnen Epochen werden die Betonung weiblicher „Körperformen" oder die Frage nach der „Ausdauer- und Durchhaltekraft von Frauen" behandelt.

Eine Informationsflut. Die Teilnahme an einer der Führungen ist unbedingt zu empfehlen, Durch- und Überblick gehen sonst verloren.

Einen völlig anderen Zugang zum Thema sucht die dritte Etage der Ausstellung. Die Beziehung „Körper-Erleben", die „Eroberung neuer Räume" und das Spiel als Realität und Simulation, als Musterbildung zwischen Regel und Freiheit sind ihre Themen. Verschiedenste Ausdrucksformen, von der Fotografie bis zur Installation, präsentieren „andere" Zugänge zu Geist und Körper.

„Woman on Bed", eine hyperrealistische Skulptur von John de Andre, macht dem Betrachter den Zusammenhang zwischen Körperbewußtsein und Voyeurismus bewußt. Die nackte

Frau liegt mitten im Raum, vor einer Installation ohne Titel von Läszlö Varasovszky und Ingo Peyker - die Entwürfe idealer Menschenkörper, in einem Drahtgeflecht aus „Zeitgeist" verfangen und eingezäunt. Dem Proportionsschema von Leonardo da Vinci steht das Gemälde „Casa de Raquel Vega" von Fernando Botero gegenüber: Körper, die aus- allen Nähten platzen, mit Gemütern, totgefressen am Amüsement. „Jung-Fit-Dynamisch" - gezielt setzt die Werbung den Sport als Träger von Erfolg, Dynamik und Genuß ein. Das Ergebnis sind „konsumgespiegelte Körper". Sport als Möglichkeit, „in" zu sein, Spaß am Erleben des eigenen Körpers wird zum Konsum.

Nicht den Konsum, sondern das Erleben in den Vordergrund zu stellen will dersogenannte Erlebnispark. Über verschiedene Objekte soll der Besucher einen inneren Zugang zu geistigen Bereichen des Sports finden. Die Konzeption der meisten Objekte stammt von Läszlö Varvasovsky, eine „Duftuhr" stellt der digital gemessenen Zeit das sinnliche Erlebnis verstreichender Düfte gegenüber. Wer seinen Kopf in die Höhlung eines der „Summsteine" steckt, soll über die

Resonanz des eigenen Summens mit der Eigenschwingung des Steines den „Widerhall des Selbst" empfinden. (Keinen Widerhall dürften allerdings die Spielsimulatoren finden. Ihre Konstruktion erinnert an Spielzeug aus Kaugummiapparaten.)

Die Ausstellung hat selbst den hohen Anspruch gestellt, sich demSport nicht nur in herkömmlicher Weise zu widmen, sondern ihn als Bestandteil der Kultur mit seiner gesellschaftlichen Bedeutung zu präsentieren. Immerhin ist Sport keine Erfindung des neuzeitlichen Europa oder des klassischen Griechenland, sondern hat seit jeher bei den meisten Völkern eine bedeutende Rolle gespielt.

Leider ging den Planem der Ausstellung in der Vielzahl möglicher Themen wohl das Motto „Sinn und Wahn" verloren. Die Gegenüberstellung hätte begeistern, konfrontieren und aufdecken können. Mechanismen wären sichtbar zu machen gewesen, durch die eine spielerische Sache zum manchnmal tödlichen Leistungsgötzenkampf entarten kann.

Trotzdem - stellen Sie sich aufs S iegerpodest der„Klatschkulisse" von Max Aufischer und je nachdem, ob Sie sich für den dritten, zweiten oder ersten Platz entscheiden, werden Sie das zaghafte Klatschen oder den tosenden Applaus einer videoprojizier-ten Menge erleben und dabei vielleicht etwas davon verstehen. (Bis 29. Oktober, täglich von 9 - 18 Uhr)

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