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Der Staat macht vorsorgende Bürger zu Dummen
Es trifft ja ohnehin nur „die Reichen”, wenn Zusatzkrankenversicherte ihr „Opfer” nicht mehr steuerlich geltend machen können.
Es trifft ja ohnehin nur „die Reichen”, wenn Zusatzkrankenversicherte ihr „Opfer” nicht mehr steuerlich geltend machen können.
Vor kurzem hat der Verfassungsgerichtshof eine sehr bedeutsame Grundsatzentscheidung zur gerechten Verteilung sozialer Kosten gefällt. Es ging um ein Modellverfahren betreffend die private Zusatzkrankenversicherung. Bekanntlich legen Hunderttausende Österreicher darauf Wert, gewisse Vorteile und einen Arzt ihrer Wahl in Anspruch nehmen zu können, wenn sie in ein Spital müssen. Die Kosten dieser freiwilligen Selbstvorsorge sind aber in den letzten Jahren geradezu explosionsartig gestiegen. Vor allem viele alte Menschen sind verzweifelt, weil sie sich in der Pension die jahrzehntelang gesicherte bessere Versorgung nicht mehr leisten können.
Mittlerweile ist die Ursache dafür offenkundig geworden. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die Zusatzversicherten nicht nur für die besseren Bedingungen im Ernstfall zahlen, sondern gezwungen werden, die allgemein entstandenen Defizite der Krankenhäuser mit Milliardenbeträgen abzudecken. Dies obwohl sie wie jeder andere Bürger ihre Steuern und Sozialbeiträge tragen. Sie werden also gleichsam für den „Luxus” der Eigenvorsorge bestraft und zu nützlichen Idioten des Gesundheitssystems gemacht.
Dies ist an sich schon ein Skandal, der zu größter Verbitterung bei vielen alten Menschen geführt hat. Erfreulicherweise hat der Verfassungsgerichtshof dieses System in seiner erwähnten Entscheidung scharf gerügt und einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot festgestellt. So entstand die Hoffnung, daß es bald zu einer Korrektur der einschlägigen Gesetzesbestimmungen kommen würde. Groteskerweise zeichnet sich aber mit dem Sparpaket, wie es die Sozialpartner vorgeschlagen haben, eine weitere Schröpfung der Zusatzversicherten ab. Man will nämlich Höherverdienenden das Recht nehmen, ihre Sonderausgaben, also' offenbar auch die private Zusatzversicherung, bei der Steuer abzusetzen.
Sollte dies wirklich geschehen, wäre dies ein geradezu unfaßbarer Schlag gegen jedes Gerechtigkeitsempfinden: Der Staat zwingt jene Menschen, die sich für die Sonderklasse im Spital versichern, das Gesundheitssystem zusätzlich mitzufi-nanzieren, obwohl sie daraus keinerlei Vorteil haben. Er erspart sich damit Milliarden an öffentlichen Geldern und macht verantwortungsvoll vorsorgende Bürger zu den Dummen des Systems. Und dann entzieht er ihnen noch das Recht, wenigstens einen Teil dieses erzwungenen Opfers steuerlich geltend zu machen!
Nun könnte man einwenden, daß der Sparpaket-Vorschlag ohnehin nur „die Reichen” trifft. Das wäre freilich sehr kurzsichtig gedacht. Wenn es Gesichtspunkte der Gerechtigkeit gibt, dann müssen sie für alle gelten, also auch für jene, die ohnedies mit einer untragbar werdenden Steuerprogression belastet werden. Man darf niemanden sozusagen außerhalb der Fairneß des Systems nur deswegen stellen, weil er ein höheres Einkommen hat.
Man kann nur hoffen, daß die So- . zialpartner bei ihrer mühsamen Suche nach Finanzierungsquellen nicht an die inakzeptable Benachteiligung der Zusatzkrankenversicherten gedacht haben.
Aber selbst dann ist zu beklagen, daß man derartige prinzipielle Fragen übersieht. Es ist das ein neuerlicher und alarmierender Hinweis darauf, wie sehr sich Interessenvertreter von den Anliegen ihrer Mitglieder unberührt zeigen und sich selbst zu Getriebenen einer jahrzehntelangen Politik des Verwirtschaftens machen lassen. Hier ist ein Umdenken höchst notwendig, wenn nicht weiterer Flurschaden im Sozialstaat entstehen soll.
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