Weichenstellung für den Kanzler

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Am Freitagabend geht’s in St. Pölten noch lustig zu: Im Veranstaltungszentrum VAZ findet die Lange Nacht des Kabaretts statt. Am Samstag- vormittag wird es in den selben Hallen schon ernster zugehen: Die SPÖ begeht ihren Bundesparteitag. Es ist der letzte vor der nächsten Wahl, der letze, bei dem sich Bundeskanzler Werner Faymann, der sich als Obmann der Wiederwahl stellt, Rückendeckung von den Genossen holen kann. Es ist der letzte Parteitag, an dem er seine Truppe kollektiv auf die inhaltliche Stoßrichtung des nächsten Jahres einschwören kann - unf sie ihn. 638 Delegierte, 32 Gastdelegierte und mehrere hundert Gäste werden am Samstag unter dem Motto "Gerechtigkeit“ die Weichen für den Wahlkampf 2013 stellen.

Weit über hundert Anträge

Die Vorbereitungen dafür laufen schon seit Monaten. Mehr als hundert Anträge kamen bei der Antragskommission an. Die besteht aus Vertretern der wichtigsten Parteigremien und hat schon einmal vorselektiert. Für jeden Antrag gibt sie eine Empfehlung, ihn entweder anzunehmen oder abzulehnen oder "zuzuweisen“, also die Entscheidung an den Parlamentsklub oder den Parteivorstand weiterzuleiten. Der Fokus des Parteitages liegt laut Parteizentrale auf den Themen Bildung und Vermögenssteuern.

Die Basis wünscht sich noch mehr: Die Sozialistische Jugend (SJ) will das Bankgeheimnis abschaffen. Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband will die Rechte von Ein-Personen-Unternehmen und Neuen Selbstständigen stärken.

Und die Kinderfreunde wollen für Kinder und Jugendliche eine Verbesserung der Lebens- und Verfahrenssituation während des Asylverfahrens. "Jeder Antrag kommt völlig unabhängig von den Empfehlungen der Kommission frei zur Abstimmung“, sagt Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Auch er selbst ist Gegenstand eines Antrags: Die SJ beantragt mehr innerparteiliche Demokratie und will, dass die Bundesgeschäftsführung künftig gewählt und nicht ernannt wird. "Persönlich hätte ich damit kein Problem,“, sagt Kräuter, "aber man muss bedenken: Ein Geschäftsführer muss auch Dinge vertreten und umsetzen, die unpopulär sind, wie Sparmaßnahmen oder Beitragserhöhungen.“

Der Antrag der SJ, der in den Kern der Parteistrukturen geht, wurde von der Antragskommussion zur Zuweisung empfohlen. "Normalerweise ist das ein Begräbnis erster Klasse“, sagt Niki Kowall von der SPÖ Alsergrund. Nur wenn die Mehrheit gegen die Zuweisung stimmt, wird tatsächlich über den Antrag abgestimmt. Dass das grundsätzlich möglich ist, haben Kowall und seine Sektion 8 voriges Jahr eindrücklich bewiesen. Damals hat die Bezirksgruppe beim Parteitag der Wiener SPÖ gegen die Empfehlung des Vorstands ein Verbot des kleinen Glücksspiels erwirkt. Einen Aufstand der Basis wie in Wien hält Kowall auf Bundesebene aber für unwahrscheinlich: "Auch wenn die Stimmung teils fatal ist: In Wirklichkeit sitzt dort das Establishment.“

Wofür steht die SPÖ eigentlich?

Doch auch Etablierte wagen sich an die Grundlagen: Die SPÖ Ober-österreich beantragt einen stärkeren parteiinternen Diskurs und kritisiert in ihrem Papier "eine immer stärkere Orientierungslosigkeit der Mitglieder und der Bevölkerung, wofür denn die SPÖ nun wirklich steht.“ Ihr Vorsitzender Josef Ackerl regt außerdem mit einem Buch, das am Parteitag unters Volk gebracht wird, eine Wertedebatte an (siehe Interview).

Die Identitätsfrage ist auch für den um 36 Jahre jüngeren Kowall das Kernthema. Als Arbeiterbewegung müsse sich die SPÖ wieder bewusst werden, was die Arbeit derer, die sie traditionell vertritt, wert ist, meint Kowall: "Man darf sich nicht sagen lassen:, Ihr seid die, die von unseren Steuern profitieren, und wir sind die Leistungsträger.‘ Solange sich die Mitte mit den Oberen identifiziert, weil sie glaubt, selbst einmal Teil von ihnen sein zu können, so lange werden die Rechtsliberalen im Aufwind sein.“

Internationale Rückendeckung

Günther Kräuter gibt sich optimistischer: "Die Sozialdemokratie wird in ganz Europa wieder gestärkt. In Frankreich regieren Sozialdemokraten und ich bin optimistisch, dass die SPD in Deutschland nächstes Jahr Regierungspartei sein wird“, sagt er. SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel und Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlamentes reisen deshalb am Samstag auch nach St. Pölten, um vor den österreichischen Genossen zu sprechen.

Auch gesellschaftlich will Kräuter eine für die Sozialdemokratie förderliche Entwicklung beobachten, die weg vom Egoismus hin zum Gemeinsinn geht: "Ich hoffe auf eine echte Jugendbewegung, die dann von Akademikern und Studenten bis hin zu Arbeitern getragen wird, die sich gesellschaftspolitisch einbringt“, sagt Kräuter. "Ein bisschen vergleichbar mit den 68ern“, fügt er hinzu.

Den Soundtrack dazu könnte es praktischerweise am Samstag im VAZ St. Pölten spielen: Wenn der Parteitag vorbei ist, zollen die "Kings of Rockn Roll“ im Konzertsaal Jerry Lee Lewis, Chuck Berry und Elvis Presley Tribut.

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