Raymond Burke  - Kardinal Raymond Burke gilt als De-facto-Führer des konservativen Flügels innerhalb der katholischen Kirche.  - © Foto: Getty Images Franco Origlia

Die befremdlichen Seiten des US-Katholizismus

19451960198020002020

Was macht die US-amerikanische Kirche bis heute so besonders - und verstörend? Der deutsche Theologe Benjamin Dahlke sucht in einem neuen Buch nach Erklärungen.

19451960198020002020

Was macht die US-amerikanische Kirche bis heute so besonders - und verstörend? Der deutsche Theologe Benjamin Dahlke sucht in einem neuen Buch nach Erklärungen.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Vorgänge rund um den texanischen Bischof Joseph Strickland, der seit Jahren gegen Papst Franziskus auf diversen Medien wetterte und schließlich 2023 vom römischen Pontifex des Amtes enthoben wurde, haben jüngst für Aufsehen gesorgt. Die kirchenpolitischen Querschüsse von Kardinal Raymond Burke (siehe Bild oben) stehen indessen schon fast an der Tagesordnung katholischer Grabenkämpfe. Selbst innerhalb der US-Bischofskonferenz scheinen dauernde Auseinandersetzungen, heftige Kontroversen und Richtungsstreitigkeiten beinahe der Normalzustand geworden zu sein.

„Amerika ist anders“ – so der Titel einiger Reiseführer, die sich mit den Vereinigten Staaten beschäftigen. Ähnliches könnte ebenso gut vielen Kreisen der römischen Kirche in den USA attestiert werden: Selten ist sogar der leitende Klerus einer Ortskirche (von immerhin knapp 70 Millionen Gläubigen) so offen polarisiert wie die katholische Obrigkeit in den USA. Von den Gläubigen ganz zu schweigen. Neben stark konservativen Strömungen ringen liberale Bewegungen, neue geistliche Gemeinschaften, reaktionäre Traditionalisten wie auch parteipolitisch verankerte Netzwerke um die Deutungshoheit in der Blase der US-Kirche. Nicht-amerikanische Beobachter können hier oftmals nur unverständlich die Achseln zucken – zu unübersichtlich die Gemengelage der ständigen Tumulte.

Eintauchen in eine fremde Welt

Nur wenige haben bisher den Versuch unternommen, aus deutschsprachiger Perspektive in diese amerikanische Sonderwelt des römischen Katholizismus vorzudringen. Der deutsche Theologe Benjamin Dahlke stellte sich in einer jüngst erschienenen Publikation dieser Mammutaufgabe: „Katholische Theologie in den USA“ heißt sein Werk und stellt ein Novum am deutschen Büchermarkt dar. Dahlke, Professor für Dogmatik an der Katholischen Universität Eichstätt, versucht in seinem Projekt, etwas Licht in die fremden Welten der katholischen Theologie in den USA zu bringen. Schnell wird in den einzelnen Abschnitten seines Buches klar, dass dieses Unterfangen keine steril wissenschaftliche, ausschließlich formal intellektuelle Auseinandersetzung sein kann, sondern in einem umfassenden Zusammenhang mit der gesellschafts- und religionspolitischen Geschichte des US-Katholizismus zu geschehen hat. Dahlke gelingt es dabei zu zeigen, dass sich die vielen Schichten und Linien der katholischen Glaubenswissenschaft in den USA nicht unabhängig von sozialen, politischen, ethnischen und nicht selten auch wirtschaftlichen Entwicklungen verstehen lassen. Die Leistung seines Buches ist weniger eine vollständige Katalogisierung katholischer Schul- und Methodentraditionen in der amerikanischen Theologie zu präsentieren (was ohnedies wohl zum Scheitern verurteilt wäre) oder ihre in den Details sehr komplexen Einzelheiten kartographisch offenzulegen. Dahlke schafft es vielmehr, in einer theologisch äußerst detailreichen, zugleich aber um die größeren Zusammenhänge bemühten Übersicht den deutschsprachigen Interessenten einen Zugang in diese oftmals fremde Welt der römischen Kirche und Theologie in den USA zu ermöglichen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung