6568935-1950_10_12.jpg
Digital In Arbeit

Die Dame mit der Lampe

Werbung
Werbung
Werbung

Durch die Spitalbaracken, in denen die Kranken und Verwundeten aus der Krim Pflege finden, schreitet bei tiefer Nacht eine Frau, deren Tatkraft alles zu danken ist, was hier zur Linderung der Leiden aufgeboten wird. Es wird berichtet, daß die Kranken ihren Schatten küssen, wenn er auf ihr Bett fällt. .Die Dame mit der Lampe“, wie sie genannt wird — Florence Nightingale —, beendet mit diesem Rundgang allnächtlich ein Tagewerk, in dem sich persönliche Opferbereitschaft, Erfahrung, Willenskraft und Organisationsgabe die Waage halten.

Florence Nightingale, in der Idylle des frühviktorianischen Landlebens herangewachsen, hatte sehr früh erfaßt, daß außerhalb dieses friedvollen Bereiches gigantische Forderungen der Nächstenliebe der Erfüllung harrten. „Wäre sie Katholikin gewesen, so hätte sie vielleicht den Schleier genommen“, schreibt ihre Biographin. So ist es ihre Absicht, „einen Orden von Schwestern ohne bindendes Gelübde für Frauen von höherer Bildung zu gründen“, um die Krankenpflege in den britischen Hospitälern von Grund auf zu erneuern. Im Kloster Santa Trinitä dei Monti bei den Damen vom Sacre-cceur in Rom lernt sie das Geheimnis der Hingebung erkennen, „deren Fehlen wohl das größte Hindernis für 'allen geistigen Fortschritt bedeutet“. Die Schwestern lehren sie, „daß jeder sidi den Geist dieser Hingabe zu eigen machen kann, wenn er fähig ist, sich regelmäßig geistige Exerzitien, strenge Pflichten und Gewissenserforschung aufzuerlegen“. Bei den evangelischen Diakonissinnen in Kaiserswerth erwirbt Florence Nightingale die ersten praktischen Kenntnisse und Erfahrungen. In Paris erwirkt ihr Abbe de Genettes die Erlaubnis, in den Spitälern und Wohlfahrtsanstalten der Barmherzigen Schwestern zu arbeiten. Die tätige Liebe beider christlicher Konfessionen steht also am Anfang des Lebenswerkes der Begründerin der modernen Krankenpflege und Fürsorge in England.

Die Leitung und der Aufbau von Choleraspitälern in London und in der Krim, die ungeheure Anforderungen an ihre physische und seelische Kraft stellen, geben Florence Nightingale die Autorität und Popularität, die zu großen Reformwerken notwendig sind. Sie betreut die Patienten auch seelisch und grün-

Respuhlica Helvetiftrum. Von Ernst Reibstein. Verlag Paul Haupt, Bern 1949. 101 Seiten.

Dem Verfasser geht es um die kritische Beleuchtung der Grundsätze des im Titel genannten Werkes, das Josias Simler im 16. Jahrhundert schrieb, um die Legalität, das heißt das naturrechlliche Fundament der Gerechtigkeit bei der Gründung der Eidgenossenschaft, nachzuweisen. Als die Respublica Hel-etiorum erschien, hatte die Gewalttheorie des sittenlosen und ungläubigen Macchiavelli Ihre unheilvolle Wirksamkeit bereits begonnen. Daher empfindet der Leser viele Betrachtungen und Beweise, obwohl sie einer fernen Zeit gelten, als so modern, daß er dieses Buch in die Hände der Politiker der Gegenwart wünscht. Ridiard Schmitz

Was ist der Staat? Von Gerhard Kroll. Verlag Schnell & Steiner. Mündien 1950. 153 Seiten.

Gegenstand des Buches ist der „Staat im Lichte der Offenbarung. Geboten wird davon eine Summe bekannter Sätze aus der Heiligen Schrift und den kirchlichen Sozialrundsduei-ben mit einem teils pastoral-, teils moraltheologischen Kommentar. Grundauffassung des Buches ist die Möglichkeit, aus der christlichen Glaubens- und' Sittenlehre eine christliche Staatslehre ableiten zu können. Dem Ganzen vorausgeschickt ist ein „philosophischer' Exkurs. Auch hier wiederholt der Verfasser Bekanntes, gewiß in klarer und zudem sehr inniger Art. Alles atmet das Klima selbstverständlicher Lösungen aus dem Glauben und ist unberührt von den Lanzen und Leiden moderner Problemstellung. So wurde auch an neuerer Literatur, die gerade auf dem Gebiet der Staats- und Menschenlehre reichhaltig ist, nichts herangezogen.

Univ.-Prof. Dr. August M. Knoll

Krenzzug in Europa. Von Dwight D. Eisenhower. Verlag Bermann-Fischer, Wien. 616 Seiten.

Die Entscheidung der Frage, ob General Eisenhower den bedeutendsten Feldherren der Weltgeschichte beizuzählen ist, muß wohl einer künftigen Generation von Kriegshistorikern vorbehalten bleiben. Eines aber läßt sich schon heute mit Bestimmtheit aussagen: Die Schwierigkeiten sowohl militärisch-organisatorischer wie politischer und auch persönlicher Natur, die sich für den Oberbefehlshaber alliierter Millionenheere zwangsläufig ergaben, waren außerordentlich groß, und det Lesesäle und Erholungsheime für die Kranken, regt sie an, zu sparen und an ihre Familien zu denken. Die Statistiken zeigen ihr, daß die Sterblichkeit unter den britischen Soldaten auch im Frieden doppelt so hoch ist wie unter der Zivilbevölkerung, obwohl es sich da um die kräftigsten Jahrgänge handelt. Florence Nightingale arbeitet Reformpläne für das Kasernenwesen und die Militärspitäler aus, denen bereits das moderne Pavillonsystem zugrunde liegt. Die Vorschläge, die einen Band von 830 Seiten füllen, befassen sich mit Diättabellen, Küchen- und Wäschereibetrieb, Kantinen, Bibliotheken, der Erziehung der Militärärzte, Kanalisation und Müllabfuhr, Erziehung und Beschäftigung der Soldatenfrauen — kurz jeder Einzelheit des damaligen soldatischen Lebensablaufes. Florence Nightingale verfaßt selbst populäre Flugschriften, um die öffentliche Meinung für ihre Reformen zu gewinnen. Ihre Vorschläge zur Reform der Spitäler werden in der ganzen Welt gelesen. Ihr logisch-konstruktiver Sinn verlangt für jedes Krankenhaus ein statistisches Büro, das seine Erfahrungen und Beobachtungen, Leistungen und Erfordernisse ausweist. „Notizen über die Krankenpflege“ für den Privathaushalt folgen. Einer der wichtigsten Sdiritte zur Besserung ist die Eröffnung der von Florence Nightingale gegründeten und geleiteten Pflegerinnenschule. Als Florence Nightingale erfährt, daß von 1000 britischen Soldaten in Indien alljährlich 60 sterben, arbeitet sie genaueste Anweisungen, aus, um die Lebensverhältnisse des Militärs in den Tropen von Grund auf umzugestalten. Florence Nightingale ist, 90 Jahre alt, 1910 gestorben. Ihr Wahlspruch war: „Bis zum Ende gewähre es der armen alten Frau, sich Dirzu weihen, o Herr!“ — „Die als junges Mädchen nichts war als Deine Magd, wird immerdar Deine Magd bleiben.“

Dieses Buch erscheint zu einer Zeit, da der Aufruf zur opfernden und tätigen Liebe vielleicht noch dringlicher ist als um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Fs ist mit großer seelischer Einfühlung in den Geist der Dargestellten verfaßt. Es mag sein, daß ein so tätiges, klares und zielvolles Lebenswerk in einer gestraffteren Schilderung manchmal noch plastischer hervortreten würde.

Carl von Peez

Eisenhower bewältigte sie in einer Weise, die seinem Takt und seinen diplomatisdien Talenten nicht weniger als seiner soldatischen Entschlußfreudigkeit und Energie ein glänzendes Zeugnis austeilt. Von der Unzahl komplizierter Probleme, die es zu lösen galt, gibt das vorliegende Werk ein ungemein klares und eindrucksvolles Bild, welches keineswegs an Wert verliert dadurch, daß der Autor über manche heikle Punkte, wie über die zwischen Alliierten unvermeidlichen Rivalitäten und die oft divergierenden Ansichten Churchills und Roosevelts, mit vornehmer Zurückhaltung hinweggeht. Der General drängt sich nicht in den Vordergrund, er läßt die Ereignisse für sich selbst sprechen, und auch darin zeigt sich die Stärke seiner Persönlichkeit. Besonders hervorzuheben ist das Geschick des Ubersetzers, der dem Leser an keiner Stelle zum Bewußtsein kommen läßt, daß die Originalsprache des Buches nicht die deutsche ist.

Kurt Strachwitz

Das Atomzeitalter. Von M. L. E i d i n o f f und H. R u c h 1 i s. Ubersetzt von F. Levi. Plan-Verlag, Zürich. 380 Seiten, 108 Abbildungen.

Eine erfreuliche Insel in der Flut der populären Atomliteratur! Die Autoren verstehen es meisterhaft, die ganze Entwicklung der Atomphysik, alle Phasen in den Versuchen zur Nutzbarmachung der Atomenergie, die Konstruktion der Atombombe und die Zukunftsmöglichkeiten in der Ausnutzung der Atomphysik in Technik, Medizin und Biologie so leicht faßlich und spannend darzustellen, daß das Buch auch ohne jede Vorbildung mit Gewinn gelesen werden kann und daß trotzdem grobe Mißverständnisse vermieden werden. Die modernen, launigen Zeichnungen werden viel zur Beliebtheit dieses ausgezeichneten Buches beitragen.

Univ.-Prof. Dr. F. M a i n x, Wien

Die Dirnburg. Roman. Von Fanny VV i b-mer-Pedit. Kaiser-Verlag, Klagenfurt.

Die Osttiroler Dichterin der „Pfaffin“ und des „Ritters Florian Waldauf“ erzählt uns hier in gewohnter Meisterschaft herzwarm und lebensnah einen geschichtlichen Heimatroman aus dem Isel- und Virgental, der Gegend um Matrei, und zwar aus dem 14. Jahrhundert; die Geschichte Hattos, des „Seeburgers“, eines natürlichen Sohne des letzten Falkensteiners, Grafen von Matrey, und einer Bauerntochter, eines Zwiespältigen, eines halben Herren nämlich und halben Bauern, der weder da noch dort Wurzel schlägt und trotz hohen Anlagen und gutem Willen zuletzt doch seiner Herkunft wegen zuschanden und zugrunde geht, als Wegelagerer und „Dirnburger“, wie die Bauern der Umgebung ihn verächtlich nennen, weil er die ihm heimlich angetraute erste Gattin vor deren bäuerlichen Sippe verborgen halten und mit seiner zweiten überhaupt in wilder Ehe zusammenhausen muß. Seine beiden kleinen verwaisten Söhne aber werden wieder als Bauern aufwachsen und damit in die Ordnung zurückkehren, aus der Vater und Ahn gefallen waren; denn „das, was wir Liebe nennen, ist zuwenig, es muß auch in den Dingen um uns der Friede und die Ordnung sein“. Diese Idee sichert dem äußerlich ereig-nis- und gestaltenreichen Buch seinen zeitlosen Wert und den inneren Zusammenhalt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung