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Diskussion aktueller Probleme

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VOLK GOTTES, MYTHOS UND WIRKLICHKEIT. Von Michel Carrouges. Eine Standartbestimmung mit einem Vorwart van Jean Danielou. S 162.—. — WIDERSPRUCH IN FREIHEIT. Von Robert Blomme. Eine Ana lyse des heutigen SundenbewuBtseins und der Sünde. S 144.-. - SOZIOLOGIE DER SEELSORGE. Von Luc Vranckx, Grundlagen und Ausblicke für eine soziologisch orientierte Seelsorge. S 174.—. Aus der Reihe Werdende Welt, Analysen und Aspekte zur Orien tierung der Christen, Band 4, 5, 6. Lahn-Verlag, Limburg

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VOLK GOTTES, MYTHOS UND WIRKLICHKEIT. Von Michel Carrouges. Eine Standartbestimmung mit einem Vorwart van Jean Danielou. S 162.—. — WIDERSPRUCH IN FREIHEIT. Von Robert Blomme. Eine Ana lyse des heutigen SundenbewuBtseins und der Sünde. S 144.-. - SOZIOLOGIE DER SEELSORGE. Von Luc Vranckx, Grundlagen und Ausblicke für eine soziologisch orientierte Seelsorge. S 174.—. Aus der Reihe Werdende Welt, Analysen und Aspekte zur Orien tierung der Christen, Band 4, 5, 6. Lahn-Verlag, Limburg

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Der Lahn-Verlag gibt in dieser Serie eine Reihe von Analysen heraus, von denen Band 1 und 2 moderne Probleme der Persönlichkeitskultur behandeln, also sich mit der philosophischen und theologischen Anthropologie befassen, während der 3. Band, von einem Arbeiterpriester geschrieben, die Grundlagen und Forderungen der Seelsorge von morgen bespricht.

Wir besprechen die uns vorliegenden drei Bändchen in einer Sammelbesprechung. Es scheint uns, daß hier sehr aktuelle Probleme auf- gegriffen werden und daß der Verlag auch mit der Auswahl der Autoren einen guten Griff getan hat.

Band 4: Volk Gottes, Mythos und Wirklichkeit, bespricht das Problem des Laien in der Kirche. Der Autor, ein erfahrener und durchaus kirchlich denkender Laie, legt in einer großen Offenherzigkeit die Schwierigkeit des Laienproblems in der Kirche von heute dar, indem er zuerst einmal vor Irrtümern in der Erneuerung des Laienstandes in der Kirche warnt. Er zeigt die Doppeldeutigkeit mancher Begriffe auf und fordert in erster Linie .'eine klare und eindeutige Terminologie, die wir tatsächlich noch nicht haben. So weist er hin auf die Zweideutigkeit des Ausdrucks: mündiger Laie. Dieser kann geradezu eine Beleidigung des Laien darstellen, wenn er verstanden wird als Mündigmachung des Laien.

Im 3. Kapitel behandelt der Autor die geschichtliche Rolle des intellek-' tuellen Laien in der Kirche und führt hier alle Laien an, die als Anwälte der Kirche und des Glaubens aufgetreten sind, angefangen von Dante bis herauf zu den modernsten französischen Autoren.

Schließlich und endlich behandelt der Autor im letzten und längsten Teil das Problem des Laienstandes heute und in der Zukunft. Die Tragik liegt nach dem Autor darin, daß der Laienstand heute gespalten ist. Man denke nur an die Klassifizierung: religiös aktive Laien, praktizierende und nichtpraktizierende.

Was in dieser Abhandlung wohltut, ist ihre Lebensnähe, Konkretheit und Offenheit. Hier wird nicht mit abstrakten Begriffen und Prinzipien herumgeworfen, ohne der Wirklichkeit zu achten. Diesen Vorwurf muß man aber leider den meisten Abhandlungen der Theologen und Praktikern über die Laienfrage machen. Kein Wunder, daß die Laien ein Unbehagen empfinden, wenn von Theologen dieses Problem besprochen wird.

Band 5: Widerspruch in Freiheit, bespricht das Problem des modernen Sündenbewußtseins. Auch in diesem Bändchen berührt es ungeheuer angenehm, daß der Autor möglichst konkret vorangeht. Ausgehend vom schwindenden Sündenbewußtsein unserer Zeit, zeigt er die Mängel der katechetischen Sündenlehre, aber auch die Zeichen einer Reifung und Läuterung des Sündenbewußtseins.

Band 6: Soziologie der Seelsorge, behandelt die soziologischen Grundlagen der Seelsorge. Auch in diesem Bändchen hat der Autor die gesamte neuere Literatur bearbeitet.

Der erste Teil (S. 11—66) legt die These dar, daß jede Gemeinschaft einen Doppelcharakter an sich trage, nämlich den funktionellen und strukturellen, das heißt, jede Gemeinschaft von Menschen ist ein Organismus, der sich eben mit den Menschen, die ihn bilden, in einem steten Wandel befindet. So wandelt sich die Familie, bedingt durch Umwelt, durch materielle und geistige Voraussetzungen des Lebens. So wandelt sich auch die staatliche Gemeinschaft mit dem Wachstum der Bevölkerung, dem Fortschritt an Bildung und Kultur und den ökonomischen Verhältnissen. Da nun auch die Kirche eine Gesellschaft von Menschen ist, unterliegt auch sie diesem Wandel.

Jede Gemeinschaft trägt an sich aber auch das Element der Struktur, das heißt, sie muß eine gewisse feste Form haben, zum Beispiel das Gesetz der Einehe, Unauflöslichkeit der Ehe, eine staatliche Verfassung usf.

Nun stehen diese beiden Elemente: Funktion und Struktur in einem steten Spannungsverhältnis. Sie sind ganz und gar voneinander abhängig. Wird die Struktur überbetont, dann erstickt sie die Funktion, das heißt, die innere Entwicklung und Entfaltung einer Gesellschaft. Wird die Funktion überbetont oder gar die Struktur geleugnet, dann verliert die Gesellschaft ihren Halt und gerät in das Chaos.

Da nun auch die Kirche in diesem Spannungsverhältnis steht, ist es immer wieder notwendig, die Funktion der Gesellschaft, das ist der kirchlichen Gemeinschaft, zu beachten. Nur aus der rechten Erkenntnis der Funktion, also des jeweiligen Entwicklungsstandes der Gesellschaft — die Gesellschaft der Gläubigen ist weithin identisch mit der bürgerlichen Gesellschaft und deshalb nur von da her zu bestimmen — kann auch die Struktur der jeweiligen Kirche bestimmt werden.

Will man die Struktur eines früheren Entwicklungszustandes um jeden Preis bewahren und hält man sie für wesentlich für den Bestand der Kirche, dann wird man der Funktion derselben nicht mehr gerecht. Als Kennzeichen der Funktion unserer modernen Gesellschaft bezeichnet der Verfasser den Verstädterungsprozeß, die Vereinsamung des Menschen und die Sehnsucht nach dem Mitmenschen. Darnach müsse sich nun auch die Seelsorge ausrichten. Sie müsse vor allem die organischen Bindungen neu betonen, in der der Mensch Geborgenheit finden könne. Praktisch heißt das, daß die Seelsorge das funktionelle Element der Gemeinschaft, das heißt, die wirklich gelebte Gemeinschaft gegenüber dem rein Strukturellen, die Organisation im Sinne von Pfarrei als feste Gegebenheit oder Verein als Organisationsform betone.

Auch dieses Werk ist jedem Seelsorger zu empfehlen. Er kann aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen manche nützliche Folgerung für die praktische Arbeit ziehen.

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