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In Zukunft ein tieferer Glaube

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Der Jesuitengeneral über die Zukunft seines Ordens die Zukunft der Kirche, die besondere Bedeutung der Frau und den interreligiösen Dialog.

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Der Jesuitengeneral über die Zukunft seines Ordens die Zukunft der Kirche, die besondere Bedeutung der Frau und den interreligiösen Dialog.

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DieFurche: Vor knapp fünf Monaten ist die Generalkongregation des Jesuitenordens zu Ende gegangen. Welche neuen Impulse werden von dort für den Orden ausgehen ?

P. Peter-Hans Kolvenbach: Ich glaube, daß die 34. Generalkongregation keine neuen Visonen wollte. Sie hat eine eher nüchterne Arbeit gemacht und den Alltag, die Art und Weise, wie Jesuiten miteinander leben, beten und arbeiten, im Visier gehabt. Für uns ist es wichtig, wahrhaftige Diener der Sendung Christi zu sein und das bedeutet in erster Linie Gerechtigkeit. Auch Christus hat immer mit den Armen und für die Armen gearbeitet - nicht etwa aus politischen oder aus ideologischen Gründen. Wir können nicht Gesellen Jesu sein, ohne da mit Christus zu gehen. Diesen Aspekt hat die Generalkongregation sehr stark betont. Aber nicht nur die Armen, auch die Menschenrechte, die Sorge um die Umwelt, - alles, was uns heute beschäftigt, war Thema der Überlegungen.

DieFurche: Also überwiegend weltliche Themen?

Kolvenbach: Die zweite Orientierung war die Evangelisierung der Kultur. Die Einstellung und die Werte der Menschen sollen mehr von Christus inspiriert werden. Denn nur in dieser Weise kann die Welt besser werden. Zum Schluß wurde besonders der Dialog und die Zusammenarbeit mit allen lebendigen Kräften in der Kirche betont. Ich glaube die Generalkongregation hat uns als Diener der Sendung Christi wirklich vorbereitet auf die Neuevangelisation für das dritte Jahrtausend.

DieFurche: Die Frauen sind eine wesentliche Kraft der Kirche. Die Jesuiten bekannten sich dazu, selber auch beteiligt zu sein an der Diskriminierung der Frauen. Welchen Stellenwert geben die Jesuiten den Frauen ? kolvenbach: Natürlich kann man sich nicht für die Menschenrechte einsetzen, ohne auch an die Frauen zu denken. Die 223 Mitglieder der Generalkongregation kamen aus allen Teilen der Erde und in vielen Kontinenten gehören die Frauen noch immer den unterdrückten Randgruppen an. So war es an der Zeit, deutlich Stel -lung zu nehmen, besonders, weil wir jetzt das Jahr der Frau gehabt haben.

DieFurche: Wie fördert der Orden konkret die Anliegen der Frauen ? kolvenbach: Wir sollten als Jesuiten erst mit uns selber anfangen und wirklich zuhören, was die Frauen uns heute zu sagen haben. Weiters müssen wir die Mitarbeit der Frauen sehr ernstnehmen. Das bedeutet nicht, daß wir den Frauen vorschreiben, daß sie wie Männer arbeiten sollen, sondern daß wir sie als Frauen, wie sie in weiblicher Weise mit uns zusammenarbeiten, wirklich schätzen. Ich glaube wir sollten bedenken und entdecken, daß wir Männer sind und das wir zuviel als Männer denken. Daher verstehen wir vielleicht nicht immer, was Frauen wollen und suchen. Und weil das Priesteramt mit den Männern verbunden ist, sollen wir sehr vorsichtig sein, daß wir nicht nur denken und sprechen wie Männer das normalerweise tun für sich selber, sondern daß es auch Frauen gibt, die auch ihre Rechte haben. Und das sollen wir mit Freude und Rücksicht entdecken wollen.

DieFurche: Sehen sie ein dogmatisches Problem darin, daß Frauen Amter in der Kirche übernehmen?

Kolvenbach: Ich bin in der Ostkirche aufgezogen und ausgebildet worden und für uns ist die Verschiedenheit doch sehr wichtig. So glaube ich, wir sollten nicht vergessen, daß Mann und Frau verschieden sind. Diese Verschiedenheit muß nicht Diskriminierung bedeuten.

Jeder soll mit seinen Gaben und Möglichkeiten das ausüben, was ausgeübt werden soll und da hat die Kirche eine große Tradition. Ich glaube, daß bestimmt mehr für die Frauen in der Kirche getan werden soll, denn wenn wir ehrlich sind, ist es praktisch die Frau, die in der Kirche am meisten arbeitet. Das wird nicht immer anerkannt. Andererseits sollen wir nicht nur Rechte und Gleichberechtigung fördern, sondern die Verschiedenheit als Reichtum Gottes sehen.

DIEFURCHE: Kann es so etwas wie weibliche Diakone geben?

Kolvenbach: In der Ostkirche hat es früher weibliche Diakone gegeben und wenn ein Bischof in der Östlitur-gie geweiht wird, dann hat er noch immer die Macht, weibliche Diakone zu weihen. In der Ostkirche an und für sich gibt es diese Möglichkeit, wie wir das auch in der Apostelgeschichte lesen können. Ob das für die heutigen Probleme die beste Lösung ist, ist eine andere Frage.

DieFurche: Wird man Frauen irgendwann einmal in der römisch-katholischen Kirche zu Priestern weihen?

Kolvenbach: Das scheint mir sehr schwierig. Denn wir sollen doch sehen, daß die meisten Christen, also ich sage nicht nur die Katholiken, sondern auch die Orthodoxen und auch sehr viele Protestanten, aus der Schrift heraus diesen Schritt sehr schwer machen können.

DieFurche: Wie wird die Kirche in 10, 20 Jahren ausschauen ? Kolvenbach: Das vorherzusagen ist unmöglich. Wahrscheinlich wird anteilsmäßig die Mehrheit der Kirche in den zwei Amerikas leben. Afrika hat bestimmt große Möglichkeiten, wohingegen die Situation in Asien immer sehr schwierig sein wird. Vielleicht wird es dort immer nur eine kleine Kirche geben wie zum Beispiel in Indien. Da sind nur zwei Prozent Christen. Aber ich glaube dennoch: auch wenn die Kirche im politischen und wirtschaftlichen Bereich an Bedeutung verliert, so haben wir doch sehr viele Zeichen dafür, daß die Kirche als Kirche und die Gläubigen als Gläubige doch persönlicher und intensiver leben. Vielleicht eine tiefere, die persönlich mehr mit Christus verbunden ist.

DieFurche: Es gibt Vorstellungen, wonach in Europa bald ein Drittel Muslime sein werden. Wziehe Aufgaben sehen sie für den Jesuitenorden im interreligiösen Dialog?

Kolvenbach: Es ist eine Tatsache, daß in einigen Ländern Europas der Islam die zweite Beligion ist. Vor einem Monat wurde in Born die größte Moschee Europas eröffnet. Vielleicht ist auch das ein Zeichen, daß es sowohl in Rußland wie auch im ehemaligen Jugoslawien zwischen Muslimen und Christen Krieg gibt. Das sollte Europa wachrütteln. Doch das ist noch immer nicht der Fall. Man versucht, über diese Probleme hinwegzusehen.

Als Jesuiten suchen wir wirklich den Dialog, aber es ist nicht leicht, denn mit wem sollen wir den Dialog führen? Die Muslime haben keine Priester, keine Bischöfe, keinen Papst. Das macht das Gespräch sehr schwierig. Andererseits ist auch der theologische Dialog nicht leicht, weil wir mit denselben Worten und Begriffen etwas anderes meinen. Dennoch versuchen wir, einen theologischen Dialog zu führen, auch wenn es schwierig ist.

DieFurche: Sie sind seit 198) im Amt, was gehört zu ihren schönsten, was zu ihren schwierigsten Aufgaben und Erfahrungen im Amt? Kqlvenrach: Die schwierigste Aufgabe ist die Förderung der Berufungen. Als Gesellschaft Jesu müssen wir darüber noch sehr viel nachdenken und beten. Denn die jetzige Situation ist doch etwas schwierig. Andererseits besteht die größte Schönheit meines Amtes darin, so viele Jesuiten zu kennen und zu sehen, wie sie alle als Diener der Sendung Christi zusammenarbeiten. An Ort und Stelle schaut das viel besser aus als von meinem Büro. Das Gespräch mit P. Kolvenbach SJführten Martin Voill SJ und Bernhard üostaL

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