Die Tugend der Geduld ist nötig

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Trotz Streit in der Kirche: Die Friedensbotschaft der Bibel ist immer noch ein gültiges, prophetisches Wort. Zu den Problemen schweigt Paul Iby dennoch nicht.

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Trotz Streit in der Kirche: Die Friedensbotschaft der Bibel ist immer noch ein gültiges, prophetisches Wort. Zu den Problemen schweigt Paul Iby dennoch nicht.

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dieFurche: Was können Sie zum Weihnachtsfest 1998, in der derzeitigen kirchlichen Lage, den Gläubigen sagen?

Bischof Paul Iby: Auch in dieser Situation verkünde ich meinen Gläubigen den Wunsch der Engel auf dem Feld von Betlehem: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden": Ich wünsche Ihnen und uns den Frieden in der Kirche. Und natürlich den Frieden in den Familien.

dieFurche: Zur Zeit fällt es in der Kirche schwer, einander Frieden zu wünschen.

Iby: Es scheint schwer ... Aber ich vergleiche unsere Situation mit jener im Buch Jesaja: Israel war in Gefangenschaft, und der Prophet erhielt von Gott die Aufgabe, diesem Volk - das keine Zukunftschance sah - eine Botschaft zu bringen, die das Vertrauen in Gott wieder aufbaut: "Warum klagt ihr, Gott hat uns vergessen, Gott hat uns verlassen? Ich kann euch doch nicht vergessen, ich vergesse euch nicht - so wie eine Mutter ihr Kind nicht vergessen kann, ich habe euch in meine Hand eingeschrieben!" Mein Friedenswunsch geht gleichermaßen dahin, das Vertrauen auf Gott zu stärken: Gott führt seine Kirche - auch durch Krisen hindurch.

dieFurche: Aber gibt es heute Propheten, die den Menschen den Weg weisen?

Iby: Zumindest finde ich in der Bibel die Friedensbotschaft, welche die prophetische Aufgabe hat, den Menschen Wegweisung zu bieten, auch darin, wieder mehr auf das Wort Gottes hinzuhören. Vom Propheten im Buch Jesaja bin ich etwa erfüllt, wenn er - in orientalischer Sprache - Gottes Botschaft verkündet: "Ich mache die Wüste lebend, zu einem Teich mache ich sie. Und die Berge, die Hügel: aus ihnen werden Quellen hervorspringen."

dieFurche: Muß man sich in der jetzigen Kirchensituation ausschließlich auf Gottes Hilfe verlassen? Und die Menschen können nichts mehr tun ...

Iby: ... ich suche hier nicht eine bequeme Ausrede, wie sie von manchen formuliert wird: In dieser Situation können wir nur beten. Natürlich müssen wir etwas tun. Es ist keine Lösung zu sagen: Wir ziehen uns zurück und halten nur Gottesdienste und Anbetungsstunden. Wir müssen auch selbst an der Situation arbeiten, aber wir müssen uns dabei an Gottes Botschaft orientieren.

dieFurche: Gibt es - trotz allem - positive Zeichen in der Kirche?

Iby: Ich sehe in den Pfarrgemeinden Menschen, die bereit sind, sich für die Kirche wirklich einzusetzen. Das haben wir auch erlebt, als wir von der Salzburger Delegiertenversammlung zurückgekehrt sind. Unsere Delegierten wurden gefragt: War es wirklich so gut, wie die Medien berichtet haben? Wie soll es weitergehen, was können wir tun? Unser konkreter Ansatz: Wir bemühen uns in der Diözese, diesen Prozeß als "Dialog für das Burgenland" fortzusetzen.

dieFurche: Die Kraft, von der in Salzburg viele erfüllt waren, ist durch die Querelen der letzten Zeit aber verpufft!

Iby: Durch die Ereignisse hat das ganze Gefüge Sprünge bekommen. Aber wenn meine Mitarbeiter und ich weitertun und den Menschen Mut machen, spüre ich noch immer, daß in meiner Diözese eine positive Stimmung da ist.

dieFurche: Welche Themen wird der "Dialog für das Burgenland" umfassen?

Iby: Für uns haben sich da einmal die ersten zwei Themenkörbe aus Salzburg als dringlich erwiesen: die Gottesfrage und die Frage der Verkündigung. Die andere Themengruppe, für die wir uns stark engagieren wollen, ist das Fortführen und Ausweiten der Ämter und Dienste in der Kirche - was konkret in unserer Diözese angegangen werden kann, unter den jetzigen Umständen, in den Pfarrgemeinden durch besondere Bezugspersonen - auch Frauen ...

dieFurche: Was heißt das konkret? Wohl nicht, daß es ab morgen in der Diözese Eisenstadt Diakoninnen geben wird.

Iby: Das nicht. Aber wir bauen in unserer Diözese den Dienst der Pfarrassistenten auf, das sind Männer und Frauen, die in Pfarrgemeinden eingesetzt werden, wo kein Priester mehr da ist. Diese Pfarrassistenten übernehmen auch gewisse Leitungsaufgaben.

dieFurche: Ein derartiges Modell kann aber als weiteres Signal an die Weltkirche verstanden werden: An den Zulassungsbedingungen zum Amt, etwa dem Zölibat, muß sich etwas ändern.

Iby: Es geht in diese Richtung. Ich muß mir doch helfen können, wenn wir weniger Priester haben, um die Aufgaben in den Pfarren zu erfüllen! Ich kann doch nicht einem Priester noch mehr Aufgaben und Gemeinden anhängen, dadurch dehne ich ihn und bringe ihn fast zum Zerreißen! Auch der andere Weg, nämlich die Gläubigen "mobil" zu machen und zu sagen: "Ihr könnt doch in die Nachbarpfarre zum Gottesdienst fahren", gelingt nur zum Teil.

dieFurche: Haben Sie diese Anliegen auch in Rom vorgetragen?

Iby: Ich habe diese Sorge noch konkreter und pointierter vorgebracht. Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß ich in den "Viri probati" eine Möglichkeit sehe, einer pastoralen Not abzuhelfen.

dieFurche: In Rom wurde auf der soeben beendeten Bischofssynode für Ozeanien in vielen Punkten dasselbe wie in den Salzburger Voten gefordert.

Iby: Mich ermutigt das: Wir stehen mit unseren Wünschen wirklich nicht allein da, die pastorale Not ist in der ganzen Kirche vorhanden. Mich tröstet sicher nicht ein Hinweis auf Südamerika, wenn man sagt: Die haben auch nicht jeden Sonntag eine Eucharistiefeier.

dieFurche: Die römische Antwort - ob für Österreich, ob für Ozeanien - fällt aber, gelinde gesagt, zurückhaltend aus.

Iby: Ich meine, daß in unserer Kirche hier eine Tugend stark gefordert ist: die Tugend der Geduld.

dieFurche: Sie wurden von den anderen Bischöfen konkret mit der Umsetzung eines der Salzburger Voten betraut: Die Vernetzung von Jugendinitiativen liegt in Ihrer Hand. Was haben Sie da vor?

Iby: Mit Hilfe der Katholischen Jugend haben wir jene kirchlichen Gruppen angeschrieben, von denen wir meinen, daß sie mittun, ein erstes Treffen wird am 7. Jänner in Salzburg stattfinden. Wir wollen dort erste Schritte angehen. Unter anderem ist auch ein Studientag der Österreichischen Bischofskonferenz im Herbst 1999 vorgesehen.

dieFurche: Dieses Votum ist das einzige der Salzburger Delegiertenversammlung, das konkret angegangen wird.

Iby: Auch andere Voten liegen auf dem Tisch, für sie wurden von den Bischöfen Projektgruppen eingesetzt, aber vielleicht sind diese nicht so konkret gefaßt wie die Vernetzung der Jugendinitiativen.

dieFurche: Eines der Voten regt ein Sozialwort der Kirchen an. Warum sagen die Bischöfe den engagierten Christen nicht: Fangt dieses Projekt an!?

Iby: Hier könnte man ganz konkret ansetzen. Vielleicht war die Zeit zu kurz, um zu Entscheidungen zu kommen ...

dieFurche: ... aber: Treten Sie persönlich diesem Vorschlag nahe?

Iby: Ich begrüße ein solches Sozialwort. Der Wunsch der Delegierten ist es, daß es ökumenisch sein soll. Hier müßte sich sehr bald ein Kreis zusammenfinden, damit ein solches Sozialwort um die Jahrtausendwende auch herauskommt.

dieFurche: Warum wurde der Vorschlag aus Salzburg, Frauenkommissionen auf Österreichebene und in den Diözesen einzurichten, nicht angegangen?

Iby: Auch das ist bis jetzt zu kurz gekommen, es gibt aber Überlegungen dazu. Die Bereitschaft in der Bischofskonferenz, das zu realisieren, ist - soweit ich es beobachte - vorhanden.

dieFurche: Und in Ihrer Diözese?

Iby: In Eisenstadt haben wir als erste Diözese eine Frauenkommission errichtet. Von da aus kann ich nur sagen: Kein Mitbruder muß vor solch einer Frauenkommission Angst haben! Mir gingen dadurch wirklich die Augen auf, wie wenige (wenn nicht gar keine!) Frauen in der Kirche leitende Positionen innehaben, obwohl das sehr wohl möglich wäre. Dem Grundsatz: Wenn für einen Posten sich Männer und Frauen mit den gleichen Qualitäten bewerben, soll einer Frau der Vorzug gegeben werden, kann ich daher leicht zustimmen.

dieFurche: ... und Sie befolgen ihn in ihrer Diözese?

Iby: Ja.

dieFurche: Das heißt, auch die Politik könnte von der Diözese Eisenstadt etwas lernen.

Iby: Bei meinen Pfarrbesuchen spreche ich auch mit dem Gemeinderat und ich bedaure immer wenn dort oft nur eine Frau drinnen ist. Ich sage dann: Hier sind wir in der Kirche schon weiter, denn im Pfarrgemeinderat habe ich meist bis zur Hälfte der Mitglieder Frauen.

dieFurche: Wie antworten Sie den Menschen, die sagen, sie hätten von dieser Kirche genug?

Iby: Mit dem Hinweis, daßalle Getauften zur Kirche gehören. Kirche ist nicht nur durch die Ämter repräsentiert, sondern: Wir alle sind Kirche. In dieser Kirche haben alle ihren Beitrag zu leisten, und dieser Beitrag hängt nicht von den Bischöfenab: Die Zukunft der Kirche wird von einer offensive Mitte abhängen, die sich engagiert und die sich bemüht, die Botschaft Jesu ins Leben zu setzen.

dieFurche: Aber es ist doch Grundvoraussetzung, daß es in der Kirche auch an der Spitze stimmt!

Iby: Sicher. Ich will keine Entschuldigung für Schwächen an der Spitze finden - auch nicht den Hinweis, daß auch Bischöfe nur Menschen sind. Sowohl die Bischöfe als auch alle Getauften müssen sich nach der Botschaft Christi ausrichten. Diese Botschaft führt in eine Communio, in ein Miteinander. In diesem Miteinander muß man, wenn Fehler begangen wurden, diese auch eingestehen und durch die Bereitschaft, sich zu ändern, den Weg in die Zukunft leichter machen.

dieFurche: Und Sie selbst können den Gläubigen versprechen, daß Sie etwa die Frage der "Viri probati" beharrlich in Rom vorbringen werden?

Iby: Ich will nicht dauernd dieses Problem hervorheben, wobei ich in mir die Auffassung habe, daß dies ein möglicher Weg wäre, der einmal kommen wird. Ich versuche eher, unter den gegebenen Möglichkeiten das anzugehen, was verwirklichbar ist.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

Zur Person: Burgenländer mit Herz für die Kirche und für die Jugend Seit 1993 steht der fast 64jährige Paul Iby an der Spitze der Diözese Eisenstadt. In der Bischofskonferenz ist er unter anderem für Jugendfragen zuständig. 1996 löste sein "Brief an die Jugend" Furore aus, weil Iby darin in ungewohnter Offenheit auf Fragen von Jugendliche zu Sexualität, Frau in der Kirche und andere Themen einging. Zwei Jahre später, beim "Dialog für Österreich", waren diese Themen als sogenannte"heiße Eisen" bestimmend.

"Ich will keine Ausreden für Fehler an der Spitze finden - auch nicht den Hinweis, daß auch Bischöfe nur Menschen sind." Mit solchen Worten äußert sich Iby zur gegenwärtigen Kirchenkrise: "Sowohl die Bischöfe als auch alle Getauften müssen sich nach der Botschaft Christi ausrichten. Diese Botschaft führt in eine Communio, in ein Miteinander. In diesem Miteinander muß man, wenn Fehler begangen wurden, diese auch eingestehen und durch die Bereitschaft, sich zu ändern, den Weg in die Zukunft leichter machen."

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